Ich wollte immer einer dieser Menschen sein, die sich einfach mal so allein in ein Café setzen und Zeitunglesen. Bis dato scheiterte ich da oft genug an mir selbst. Da mag man sagen "Was soll denn daran jetzt so besonders sein, da ist doch nun wirklich nichts dabei." Sicherlich nicht, aber Sie leben ja auch nicht in meinem Körper und mit dieser komischen Seele. In Portugal werde ich jedoch überraschend plötzlich zu einem eben dieser Menschen. Vielleicht liegt das an dem ausgezeichneten Kaffee, den sie dort ausschenken? Ich lande am 12.09. morgens im wundervollen Porto, wo mir das Alleinsein plötzlich erstaunlich leichtfällt. Tatsächlich bin ich sehr zufrieden, denn so beschwert sich wenigstens niemand darüber, dass ich auch noch die Kirche sehen, den Berg hochlaufen, um die Ecke rumschauen, hier stehenbleiben, da rumsitzen und ganz generell alles erlaufen und nicht die Öffentlichen nehmen will. Zwei ganze Tage lang gehe ich also umher, schaue mir alles Mögliche an, radebreche Portugiesisch, staune darüber, wie blau der Rio Douro ist, esse Dinge, von denen ich im Portugiesischunterricht gehört hatte, schlafe tief und traumlos und stelle wieder fest, dass da irgendetwas ist zwischen Portugal und mir. Da ich eh gerade dabei bin, die Person zu werden, die ich gern sein will, gehe ich am 13.09. ins Estadio do Dragão und schaue mir das Champions League Spiel des FC Porto gegen Shakhtar Donetsk an. Am 14.09. begebe ich mich dann frühmorgens auf den Caminho Português und da Jördis mir vor der Abreise gesagt hatte, dass ich doch eigentlich fast immer machen könne, was ich wolle, trickse ich und nehme zur Überbrückung der ersten Etappe die Bahn.
Freitag, 7. Oktober 2011
Dienstag, 4. Oktober 2011
Weißes Papier.
Kennen Sie das, wenn Sie plötzlich weißes Papier sind? Ich verreise gänzlich allein. Das habe ich noch nie getan, und ich bin schrecklich aufgeregt. Es geht mir nicht um so etwas wie Erleuchtung oder Selbstfindung bei diesem Ausflug, obgleich man das unter Beachtung des (Zwischen-)Ziels (Santiago de Compostela) natürlich denken könnte, aber nein. Eher geht es mir um Selbstverlierung. Ferien vom ich. Mal ausschalten, auch gerade und besonders das Kopfkino. Zunächst einmal bin ich kurz auf mich gestellt in Madrid, meiner ersten großen Liebe. Da ich nie wirklich allein dort war und zur Überdramatisierung neige, sitze ich an Tag 1 vor dem Palast und frage mich, wie man auf Dauer mit dieser schrecklichen Einsamkeit klarkommen soll. "Auf Dauer", "schreckliche Einsamkeit" – aufgemerkt! Dass ich nicht lache – was ich später noch ausführlich tun werde, besonders, als ich ganz wundervolle Freunde treffe und der Madrider Abendhimmel wieder einmal wie von Goya höchstselbst gemalt aussieht. Zunächst einmal denke ich aber, dass wir – meine große Liebe und ich also – dass wir uns auseinandergelebt haben und bin unsicher, wie ich auf diese Schnapsidee des Alleinereisens überhaupt gekommen bin. Schnapsidee, natürlich! An Tag 2 werde ich auf spektakuläre Art und Weise fast um den reiserelevanten Teil meines Hab und Guts gebracht, um dann – noch spektakulärer – gerettet zu werden. Natürlich ist man mittlerweile zu zynisch, um tatsächlich an so etwas wie kleine Wunder zu glauben, aber ein winziges stückweit gewinne ich in diesem Moment so etwas wie das Vertrauen ins Leben zurück – auch wenn es nur flüchtig ist, aber einen Augenblick lang ist da so etwas wie eine Gewissheit, dass alles gut wird, und sei es nur für die Dauer des Ausnahmezustandes dieser Reise.
An Tag 3 geht der Flieger nach Porto.
(Fortsetzung folgt.)
An Tag 3 geht der Flieger nach Porto.
(Fortsetzung folgt.)
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