Samstag, 26. Februar 2011

We Love Life II

Mein Atem geht schwer aber gleichmäßig und ich puste weiße Wölkchen in die Luft. Die stellenweise zugefrorene Spree glitzert links von mir in der Sonne, die Wolkenmachmaschine auf der anderen Seite des Flusses gibt ihr Bestes, schafft es aber nicht, ihre Kinder am strahlendblauen Himmel zu platzieren. Gut so! Auf dem 2. Stück meiner Laufstrecke führt es mich eine Weile durch den Wald, wo man die Geräusche der Stadt nicht mehr vernehmen kann. Ich suche den Waldboden nach den ersten Boten des Frühlings ab, und siehe da, trotz der Kälte sprießt es hier und da schon zartgrün unter dem alten Laub. Ich freue mich und das Strahlen wird noch intensiviert, als ich an einem meiner liebsten Plätze in Berlin vorbeikomme. Zwischen der Insel der Jugend und der Stralauer Halbinsel hat man für einen Moment lang einen spektakulären Blick auf den Fernsehturm in der Ferne. Seufzen. Ich laufe weiter und irgendwo auf einer Wiese, am letzten Teilstück der Strecke, auf dem ich immer nochmal sowas wie Gas gebe, haben sich ein paar Druffis mit einer Anlage eingefunden und hören laut elektronische Musik. Einige tanzen, andere liegen wie Eidechsen in der Sonne, ich verschlucke mich kurz und muss fast anhalten, weil ich lachen muss. "Berlin Klischees" denke ich mir, man kann vielleicht nicht alles haben, aber manchmal dann doch fast.

Freitag, 18. Februar 2011

What became of you and I?

Im Fahrstuhl betrachte ich mein Gesicht im Spiegel und stelle fest, dass ich mich gestern Nacht wohl nur unzureichend abgeschminkt habe, denn irgendwie ist die Wimperntusche unter den Augen verschmiert. Beim Versuch, sie zu entfernen, muss ich jedoch herausfinden, dass es sich nicht um Wimperntusche sondern um Augenringe handelt. Februar ist seines Zeichens einer meiner liebsten Monate. Das liegt daran, dass er so kurz ist und dass es sich um die Zeit handelt, in der man bemerken kann, wie es abends Stück für Stück immer ein wenig länger hell ist. Außerdem weiß man, dass man nun nur noch ein paar Wochen lang die Zähne zusammenbeißen muss, bis es endlich, ENDLICH Frühling wird.

Ich habe eine Weile hin und her überlegt, worüber ich diese Woche schreiben könnte, und verschiedene Themen bieten sich an, die aber unvereinbar sind und übergeordnet war dann leider eine tragische Nachricht aus Spanien, die mich Anfang der Woche ereilte. Einschläge kommen näher und man steht Ihnen hilflos gegenüber, was bleibt ist eine von Herzen kommende Mail, vielleicht ein Telefonat, aber was soll man schon sagen, außer dass man da und dass ohne Gesundheit alles Asche ist? Parallel dazu macht man natürlich weiter mit diesem Leben voller Absurditäten, das manchmal droht zu einer Anekdote seiner selbst zu verkommen. Ist das so schlimm? Wahrscheinlich nicht. Man lacht solange man kann, denn was soll man auch tun, weinen? Uns ist klar, dass es dafür sicher früh genug einen Anlass geben wird. Schon gestern Morgen in der Bahn verdrücke ich ein Tränchen bei der Schilderung des Sterbens Karenins in "Die Unerträgliche Leichtigkeit des Seins" und abends bei Band of Horses wird mir auch ganz flau bei "No one´s gonna love you" (more than I do). Am Ende des Hohelied der Liebe (1. Korinther, Kapitel 13) steht: "Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen." und ich finde es beruhigend zu wissen, dass diese Liebe keine romantische sein muss.

Dienstag, 8. Februar 2011

Im Westen nichts Neues.

Momentan scheinen Selbstmörder Hochkonjunktur zu haben – und ich meine das nicht zynisch, mitnichten! Ich sage das eher mit einer gewissen Besorgnis in der Stimme (ach, wenn Sie mich doch nur hören könnten!), was ist denn nur da draußen los? In den letzen 7 Tagen geriet ich auf dem Weg zur Arbeit oder von der Arbeit nach Hause dreimal in die Situation, dass der Ringbahnverkehr aufgrund von Notarzt- und Polizeieinsätzen auf meinem kleinen Teilstück in meinem kleinen Zeitfenster unterbrochen war. Es handelte sich um Einsätze an den Stationen Wedding, Westhafen und Westend. Vielleicht sollte man auf die Stationen mit W. in Zukunft ein besonderes Auge haben? Pedro Almodóvar antwortete einmal auf eine Frage zu seinen Figuren und seinem Filmschaffen, an die ich mich jedoch nicht genau erinnern kann, dass es zwei Typen Mensch gäbe: Wenn eine U-Bahn (in Madrid gibt es keine S-Bahn im Berliner Sinne) im Tunnel gestoppt wird, weil sich jemand davorgeworfen hat, und die Fahrgäste aussteigen müssen, um zur nächsten Station zu laufen, dann sind da einerseits die, die sich das Desaster, wenn auch angewidert, erschrocken und besorgt, aber dennoch neugierig ansähen und die, die konsequent wegschauten, um nur ja nicht von den Bildern, wenn auch nur kurz erblickt, aber vielleicht gerade deswegen ins Gedächtnis eingebrannt, verfolgt zu werden. Was mich selbst betrifft, kann ich das nur schwer sagen, da ich immer gestoppt werde, ehe ich zur Unfallstelle gelange, ich habe aber eine Vermutung. Gestern fuhr ich dann fast eine ganze Runde Ringbahn, um überhaupt nach Hause zu gelangen, kam so aber durch Stadtviertel, die man auch fast schon als "verunfallt" bezeichnen könnte. Statt nach draußen zu schauen, vertiefte ich mich jedoch in "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" – endlich mal Zeit, in Ruhe zu lesen! Man kann sich jetzt fragen, wie ich an der Stelle die Kurve kriegen will. Zurecht. Nun, ganz einfach: Ich widme mich lieber einem Buch (das ich übrigens von 11 Jahren schon einmal gelesen habe, und seinerzeit nicht annähernd so gut fand, wie jetzt), als auf die fremden, hässlichen Stadtviertel zu blicken – demnach würde ich wohl eher wegschauen, ist doch klar. Manchmal finde ich dieses Ausblenden alles Unangenehmen geradezu zum Kotzen, manchmal bin ich aber auch ganz froh darüber. Fazit: Sollte man nicht lieber verdrängen, vielleicht etwas Schönes lesen, mit Menschen sprechen, Musikhören, was Gutes essen, tanzen gehen oder Skifahren, als sich vor Züge zu werfen? Oder ist das zu simpel gedacht?