Montag, 12. Dezember 2011

Naked Lunch vs. Burn-Out

Ich wollte mich noch zu Naked Lunch äußern. Also… das ist gar nicht so einfach. Andererseits ist es dann aber auch wieder relativ egal, was man zum Inhalt sagt, da es fast unmöglich ist, wirklich viel von der Handlung preiszugeben, weil selbige eher nicht zu fassen ist. Wenn man an einem Straßenbahnunfall vorbeikommt (im Kosmos des Öffentlichen Nahverkehrs ist die Straßenbahn ja wahrlich einer der schönsten Sterne!), kann es passieren, dass man hinschauen will und tatsächlich muss, obwohl man vielleicht besser wegschaute. Mit Naked Lunch verhält es sich ganz ähnlich. Es hilft, wenn man eine Ausgabe mit Nachwort liest, welches vorangestellt besser aufgehoben wäre, aber als mündiger Anarchobürger kann man die Reihenfolge auch eigenmächtig umstellen – ich denke Burroughs selbst fände das in Ordnung. Dort erfährt man dann jedenfalls so Einiges über die Entstehung des Buches, was zumindest mich bisher dazu bringt, dabei zu bleiben, obgleich ich kürzlich fast im Wedding hätte aus der S-Bahn steigen müssen, um mich ob der geschilderten Gewaltpornographie zu übergeben, aber das nur nebenbei. Also, wenn Sie mein Urteil hören wollen und über einen starken Magen verfügen: Man kann es ruhig mal lesen, dieses Naked Lunch – wobei "ruhig" da nicht das richtige Wort ist, klar. Denken Sie sich einfach ein anderes aus!

Bücher sind insgesamt eh gerade so ein Thema (siehe neulich), sie häufen sich nämlich überall: auf Tischen, im Regal, in Taschen, auf Fensterbrettern, unterm Bett; manchmal wünsche ich mir eine Grippe oder ein paar Jahre im Sanatorium, um endlich mal in Ruhe das eine oder andere weglesen zu können. Stattdessen machen wir über Kräutertee und Gelächter den Burn-Out-Schnelltest in der Titanic und finden heraus, dass wir noch nicht betroffen sind, jedoch vorsichtig sein und vor allem Widdergeborene meiden müssen. Mit diesem Tipp im Hinterkopf kommen wir nun aber sicher problemlos bis zum Jahresende!

Freitag, 9. Dezember 2011

Cold Turkey.

Kürzlich fiel auf der Arbeit mal das Internet aus. Nach etwa einer halben Stunde beginne ich Cold Turkey von John Lennon zu singen – wenn man plötzlich abgeschnitten ist vom Netz, dann ist das wirklich wie Entzug. Im Grunde schon auch traurig, man ist fast nicht mehr in der Lage, sich ohne Internet zu beschäftigen – vielleicht bleiben auch deswegen viele Bücher (dazu wann anders mehr, da ist was in der Mache) ungelesen? Man ist ständig online ablenkt und hat nicht mal mehr Zeit für die ZEIT, wobei man sich da auch fragen muss, ob es die ZEIT überhaupt zu lesen gilt, aber da gibt es keine Regeln, soviel ich weiß. So ein Glück! Zunächst mal klicke ich also aller paar Minuten, später fast sekündlich, auf das kleine Browsersymbol, um mich dann wie beiläufig und gespielt ausgeglichen bei den Kollegen zu erkundigen, ob denn bei denen das Netz auch nicht geht, man wolle mal den Dollarkurs checken, und es könne ja am eigenen Computer oder so liegen. Ja, also nein, am Endgerät liegt es nicht, das Netz ist in der Tat überall abhanden gekommen. Das ist einerseits erleichternd, heißt es nämlich, dass man nicht irgendwie vorsätzlich wegen Missbrauchs von den Vorgesetzten abgekoppelt wurde, zudem wird im Falle vieler Betroffener die Problemlösung sicherlich zügig vorangetrieben. Andererseits kann es sich damit auch um etwas gravierendes handeln, z.B. ein von Bauarbeitern durchtrenntes Kabel oder dergleichen, und man weiß ja meistens aus erster Hand, dass die Lösung derartiger Angelegenheiten mit der Telekom zu tun hat und folglich oft langwierig sein kann, wenn nicht sogar muss! Meine mit einem Hauch Zynismus dekorierte Verweigerungshaltung Smartphones gegenüber fällt mir nun also doch auf die Füße und kommt mir plötzlich überdenkenswert und vielleicht sogar ein winziges bisschen trotzig-beschränkt vor, wobei lamentieren jetzt ja auch nichts bringt.

Wenn man einen Film oder eine Serie sieht, die Menschen in der Vor-PC-Zeit in Büros zeigt (gibt’s nicht soooo oft, da es sich damit eigentlich um ein äußerst langweiliges Sujet handelt), wo dann keine Computer auf den Tischen stehen, frage ich mich ja immer, was diese Leute eigentlich den ganzen Tag über im Büro gemacht haben – es sei denn, ich sehe Mad Men, wo man schließlich Scotch trinkt, Luckies raucht, die Sekretärinnen verführt und / oder zum Weinen bringt und sich Werbestrategien ausdenkt. Ich hatte ja schon mal berichtet, dass ich mit einer Menge Ingenieure zusammenarbeite, wobei viele von denen auch "irgendwas mit Computern" machen. Dummerweise ist aber ausgerechnet der Informatiker krank, der gemeinhin für den reibungslosen Ablauf der bürospezifischen Tätigkeiten zuständig ist. Erstaunlich, dass man das ganze Büro voller Nerds haben kann, aber keiner von denen in der Lage ist, einfach den Zugang zum WWW wieder herzustellen. Guten Morgen 21. Jahrhundert, das kann doch alles nicht so schwer sein! Es gibt dann eine Reihe aufgeregter Telefongespräche mit dem Anbieter, denn – ganz wie in einer klassenlosen Gesellschaft (man muss auch mal das Gute sehen!) – sind nämlich wirklich alle ohne Netz und das kann so ja nun auch nicht sein. Wer es sich aus Hierarchiegründen leisten kann, geht nach Hause, womit dann auch die klassenlosen 10 Minuten beendet sind. In der Hoffnung auf ein Wunder oder mittlerweile aus einfacher Gewohnheit heraus klicke ich weiter hin und wieder auf das Browsersymbol, was aber natürlich keine Früchte trägt, außer dass mir "503 Service Unavailable" angezeigt wird. Im Herzen nistet sich eine kleine Verzweiflung ein, man könnte ja so viel verpassen! Man wollte sich noch informieren, um was es beim Käthchen von Heilbronn geht und ein paar Flüge sowie Tickets fürs Radiohead-Konzert im nächsten Juli müsste man sich auch noch besorgen – was wenn das Konzert mittlerweile ausverkauft ist, die Flugpreise sich verdoppelt haben? Ganz zu schweigen davon, dass "ordentliches Arbeiten" ohne Internet überhaupt nicht möglich ist! Am Ende des Tages ist der Netzzugang immer noch nicht wieder hergestellt, dafür ist die Frisur vom vielen Haareraufen zerzaust und der Schreibtisch sauber. Dort haben sich derweil aber so viele vergessene Aufgaben wiedergefunden, dass man nur hoffen kann, dass die Telekom es morgen nicht hinbekommt, das Kabel (oder was auch immer) zu reparieren.