Mittwoch, 24. November 2010

Autumn dies, winter arrives.

Ich kann mich noch genau daran erinnern, in welche Begeisterung alle Welt letztes Jahr ausbrach, als der erste Schnee fiel. Und das will was heißen – ich meine, dass ich mich genau an irgendetwas erinnern kann, denn in letzter Zeit schlägt sogar bei mir das Alter zu, und oft genug rede ich von "vergangenem Jahr", wenn ich Ereignisse aus 2010 kommentiere. Ich bin wohl etwas durcheinander. Und ja, ich weiß, dass es banal ist, ständig übers Wetter zu sprechen, aber die von uns, die unter Winterdepressionen leiden, wissen es sicher zu schätzen, dass ich meine aufmunternden, ja volksnahen Gedanken hin und wieder teile. Abgesehen davon (und auch das ist wohl eine der Auswirkungen des Alters) erscheint mir neuerdings fast alles trivial. Heute also der erste triviale Schnee, und wo letztes Jahr noch Jubel, Trubel, Heiterkeit herrschte, runzelt man nun zerknirscht die Stirn: Oh nein, es ist wieder so weit! Wie lange wird es dieses Jahr dauern? Wie werde ich es überstehen? Werde ich endgültig ein Opfer meines Hangs zum Alkohol? Warum soll Winterschlaf für ganz bestimmte Tiere reserviert bleiben? Sind wir nicht auch Tiere? Könnte man nicht unglaublich sparen, wenn man ein paar Monate das Schlafzimmer nicht verließe? Zudem würde man im Frühjahr direkt mit Bikinifigur aufwachen, das wäre doch mal was! Es hätte nur Vorteile, sogar Weihnachten und die lästige Frage "Was machen wir eigentlich an Silvester?" könnte man übergehen. Es muss doch irgendeinen Weg geben! Und wenn nicht? Hm. Was machen wir eigentlich an Silvester? (Mir ist durchaus bewusst, dass das Ende dieses Eintrages enttäuscht. Jetzt ist es raus: Ich habe auch keine Antworten, und musste sogar nochmal nachschauen, ob "autumn" wirklich so geschrieben wird.)

Donnerstag, 18. November 2010

Everything means everything.

Am Sonntag überraschte uns plötzlich ein Hauch Frühling, man konnte den Schal abnehmen und (ein letztes Mal bis April?) in die Sonne schauen. Obwohl Schlendern im Grunde unerträglich ist, spazierten wir gemessenen Schrittes durch den Volkspark Friedrichshain, besprachen das Jetzt und versuchten ohne Beklemmung in die Zukunft zu blicken. Das gelang uns ganz gut. Nein, nicht nur das, tatsächlich war es wundervoll. Vielleicht lag es am Frühling, der mit diesem komischen blauen Band immer eine gewisse Zuversicht verteilt, vielleicht aber auch an der guten Gesellschaft oder sogar an wochenendlich bedingten körperlichen Gebrechen, die einen seelisch manchmal ein wenig durcheinanderbringen. Wer weiß? Jedenfalls war der Spaß schon am Montag wieder vorbei, was einerseits eine grundlegende Eigenschaft des Wochenstarts ist, aber auch dadurch befeuert wurde und wird, dass es seitdem nicht noch einmal hell geworden ist. Der Kontrollfreakismus, den ich mir (man muss sagen) in den letzten Jahrzehnten (!) angeeignet habe und mithilfe dessen vieles detailverliebt dokumentiert wird, macht mir wieder einmal deutlich, dass sich doch immer alles wiederholt (na gut, vielleicht muss man dafür kein Kontrollfreak sein, sondern Naturwissenschaftler, Realist oder gar Pessimist, aber das liegt mir alles etwas fern). Meine Befindlichkeit bekommt im Herbst Risse, die jungen Schwäne üben im November das Fliegen, man kann maximal 4 Lebkuchen essen, ehe einem schlecht wird, Glühwein ist grundsätzlich ekelhaft, hilft aber, Take That bringen ein neues Album raus etc. Aber nein, tatsächlich war eine erstaunliche Erkenntnis des sonntäglichen Spaziergangs, dass sich manche Dinge doch nicht wiederholen, sondern dass man hin und wieder ganz von Vorn anfängt und etwas komplett Neues dabei herauskommt. Etwas ganz Neues wäre es, heute Abend ins Bett zu gehen, und bis März durchzuschlafen. Also, falls sich in den nächsten Wochen hier nichts tut…

Montag, 8. November 2010

Love is no big truth.

Wir sitzen im Intersoup. Falsch! Tatsächlich sitzen wir im Wiener Blut an der Bar und ich trinke schon wieder einen Pernod nach dem anderen, ohne etwas zu essen, was das Konzept des Aperitif ad absurdum führt, wobei man sich in der Folge (jedoch etwas zu spät, um noch in direktem Zusammenhang mit dem Moment am Tresen zu stehen) aufgrund der zunehmenden Trunkenheit für einen Blätterteig mit Spinat entscheiden wird. Das tut aber nichts zur Sache, zudem handelt es sich um ein anderes, ziemlich altes Hobby, nämlich Konzepte (gerade und ganz besonders im Bereich der Trinkerei) ad absurdum zu führen. Entscheidend ist der Satz, den H. sagt, und der mich aufgrund der Tatsache, dass man es eigentlich nie ausspricht, fast vom (Bar)Hocker fegt (vielleicht war´s doch im Intersoup und es fegt mich aus der Polsterecke, was ungleich weniger schmerzhaft wäre, wobei es wahrscheinlich bei wenigen anderen Themen noch mal so um Schmerzen geht, so dass die Begleiterscheinungen also unter Umständen doch gerechtfertigt sind): Man solle keine Scherze mit der Liebe treiben, denn die Liebe sei ein ernstes Thema. Natürlich muss ich das absolut und hundertprozentig bejahen. Zunächst! Ich wälze den Gedanken später ein wenig hin und her und betrachte ihn von allen Seiten, anschließend wird mir das zu mühsam und ich stelle ihn in eine Ecke und lese in Virginia Woolfs "Orlando", der mich fesselt, aber auch nicht weiterbringt, zumindest nicht, solange Orlando behauptet, er sei fertig mit den Menschen. Er legt sich dann zum Ausgleich übrigens ein kleines Rudel Elchhunde zu, aber das kommt für mich nicht in Frage, schließlich habe ich keinen Platz für Haustiere. Außerdem bin ich nicht mit den Menschen fertig, und überhaupt habe ich ja schon einen Hund, der es mir wahrscheinlich schwer übel nehmen würde, täte ich ihn bei meinen Eltern parken, während ich mich gleich mit mehreren Elchhunden in Berlin vergnüge. Nein nein! Worauf will ich hinaus? Vielleicht, also ganz vielleicht, nimmt man die Liebe nicht nur ernst genug, sondern sogar zu ernst. Kann doch sein, schließlich gibt es kein Thema, dass so gern und häufig für Grübelei, Gespräche in Schleifen, überhöhte und anschließend enttäuschte Erwartungshaltungen, stundenlanges aus-dem-Fenster-starren und unsinniges Seufzen sorgt. Andererseits, wo wäre die Popmusik, wenn wir die Liebe nicht so absurd überdimensionieren würden? Und wo wäre die Rauschmittelindustrie? (ich will es gar nicht sagen, aber ich muss): Eben(d)!

Donnerstag, 4. November 2010

Katerfrühstück mit der 30.

Dienstagmorgen. Das Kinderferienlager wurde aufgelöst. Leere Flaschen und Müllberge haben die Wohnung verlassen. Die Waschmaschine schiebt Überstunden. Es stürmt. Ich habe etwa 11 Stunden am Stück geschlafen und bin immer noch fertig, doch der Ansatz "gesundes Leben", der einer Entschuldigung dem Körper gegenüber gleichkommt, verlangt, dass ich Joggen gehe. Die Abläufe sind einstudiert, ich komme nicht durcheinander. Den Kaffee ins Wohnzimmer balancierend erblicke ich eine 30 auf dem Sofa. Gähnend sagt sie:

30: Das wurde ja langsam Zeit.
U: (überrascht) Oh, guten Morgen, ich dachte schon, wir würden uns gar nicht mehr kennenlernen.
30: Hofftest Du?
U: Nein nein, ich habe kein Problem mit dem Alter!
30: Welches Alter?
U: Eben!
30: Ach, und eigentlich kennen wir uns auch schon, ich wurde auf der Feier vorstellig, aber scheinbar hast Du mich nicht wahrgenommen.
U: (entschuldigender Tonfall) Das war keine böse Absicht. Schönes Fest, oder?
30: (leichthin) Oh ja, und ich bezweifle, dass Du überhaupt noch irgendetwas wahrgenommen hast.
U: Ja… kann sein. Das Schiff schwankte ganz schön, was?
30: (geschäftsmäßig) Nunja. Hast Du eigentlich irgendwelche Fragen?
U: Hm. Ich weiß nicht. Welche Fragen stellt man der 30 denn für gewöhnlich? Oh ja, ich weiß es! Hast Du vielleicht die Antwort auf "Wie fühlt man sich denn mit 30?"
(beide lachen)
30: Ich glaube, wir werden uns gut verstehen.
U: Kein Zweifel!
30: (aufstehend) Es sieht so aus, als hättest Du bestimmt nicht alles, aber immerhin mich im Griff, da kann ich ja gehen.
U: Warte, ich bringe Dich zur Tür.
30: (schon im Flur) Du wirkst viel zu entspannt auf mich, jetzt mal ehrlich, bist Du immer noch betrunken?
U: Eventuell. Aber es liegt an was Anderem, mir wurde gesagt, ab jetzt werde alles nur noch schön.
30: (lachend, schon auf dem Weg nach unten) Ach U., alles Gute nachträglich zum 16. Geburtstag!