Juli 2015 - erstaunlich, dass Disco 2000 von Pulp jetzt etwa 20 Jahre alt ist. Das muss man sich mal reinziehen! Und damals erschien das Jahr 2000 noch sehr weit weg und nun, "plötzlich", ist es 15 Jahre später. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber "Biedermeier" wird mit der Zeit immer verständlicher in meinen Augen. Ist das eine gewisse Desillusionierung? War es schon immer "so schlimm" und war ich nur zu jung und zu naiv, um es zu bemerken? In jedem Fall ist augenscheinlich, dass auf dieser Welt alles scheißegal ist, wenn es kein Geld oder keine Macht bringt. Ökologie? Menschenrechte? Freiheit? Harmonie? Frieden? Hinfort damit, wenn es im Weg steht zur Anhäufung von immer mehr Eigentum einer kleinen, feinen, mächtigen Kaste geht. Dafür kann man Verelendung breiter Massen schon auch mal in Kauf nehmen. Griechenland gebeugt und gedemütigt, damit irgendwelche reiche Asseln sich schließlich am Ausverkauf eines Landes eine goldene Nase verdienen können. Flüchtlinge zu Tausenden ausgesperrt, ausgehungert, mindestens fahrlässig in den Tod geschickt, nachdem der ach so menschliche Westen Landstriche, manchmal auch gleich Kontinente jahrhundertelang ausgebeutet und zahlreiche gescheiterte Staaten zurückgelassen hat. Man muss sich nicht wundern über den aufstrebenden Extremismus. Man stelle sich einen Menschen vor, der Anfang der 90er im Irak geboren wurde - dieser Mensch hat sein Leben lang ausschließlich Krieg erlebt - kein Wunder, dass er sich radikalisiert und denen hinterherläuft, die ihm ein besseres Leben (und sei es nach dem Märtyrer-Tod) versprechen. Da müssen wir hier, die die Gnade der Geburt am richtigen Ort ereilt hat, gar nicht überheblich mit dem Kopf schütteln. Noch ist das geographisch alles ziemlich weit weg. Wer weiß, wie lange noch? Und dann erhebt er wieder das Haupt, der hässliche Nationalismus, den vor allem die Deutschen auch historisch gewissermaßen perfektioniert haben, und schreit gegen Flüchtlinge, die uns die Arbeit wegnehmen. Welch willige Sklaven sich der Kapitalismus doch heran zieht; wir sind sogar bereit für eine Arbeit, die wir nicht mal mögen, auf die Straße zu gehen und Schwächere anzugreifen. Alles schön hochgepeitscht von Medien, die schließlich auch ihre Anzeigen verkaufen müssen, so dass fast niemand auch nur auf die Idee kommt, dass der Feind wahrscheinlich gar nicht in Griechenland, im Plattenbau, im Flüchtlingsboot etc. sitzt, sondern viel, viel, viel weiter oben. Politik, das Anhängsel der Wirtschaft. Wenn überhaupt. Das Unwohlsein mit dieser Situation ist in breiteren Gesellschaftsschichten zwar irgendwie angekommen, doch wird das auch als "alternativlos" hingenommen. Alle eingelullt in Belanglosigkeiten auf dieser Insel Europa, die an allen Ecken bröckelt und von innen her verfault. Tjaja. Geld als das ultimative Tauschmittel kann niemand jemals zu viel haben. Warum eigentlich nicht? Warum gibt es keine Obergrenze für Eigentum, die eine Einzelperson oder auch ein Einzelunternehmen anhäufen kann? Warum werden die Mittel nicht umverteilt zugunsten der Schwächeren? Und natürlich, dann kommt der besorgte deutsche Michel, legitimiert von den Seehofers, Gaucks, Gabriels, Merkels, Springers dieses Landes und sagt, das seien linke Spinnereien, die Mittel müssen ja doch erstmal verdient werden und Leistung müsse sich doch bitteschön lohnen. Aber diese "Mittel" sind doch da! Und wer erarbeitet sie denn? Doch sicher nicht die Konzernführungsetagen. Jean Ziegler und Naomi Klein träumen von einer neuen Zivilgesellschaft, die sich gegen diese Ungerechtigkeiten auflehnen wird. Ich sehe sie nicht. Ich. Sehe. Sie. Leider. Nicht.
Donnerstag, 23. Juli 2015
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