Dienstag, 29. November 2011

November.

So, jetzt ist der Monat fast um und ich äußere mich gar nicht mehr, dabei war es der regenärmste November seit Menschengedenken. Das muss man sich mal vorstellen! Auch wenn es so scheinen mag, es mangelt mir nicht an Themen – nein, das nun wirklich nicht! Nur habe ich irgendwie keine Zeit, oder – schlimmer noch – nicht den Hauch von Disziplin! Im Endeffekt ließen sich die meisten alltäglichen Probleme mit etwas mehr Disziplin und vielleicht auch ein wenig Härte gegen sich selbst lösen, aber vielleicht will man das gar nicht. Wie ich jahrelang ohne Deckenlampen ein durchaus schönes Leben hatte, habe ich mich in meinen Macken eingerichtet, kultiviere ich meine Seltsamkeiten, ich werde alt, ergo (nicht die Versicherung, meine Güte!): Es wird immer schlimmer!

Im Herbst wird mir diese ständige Wiederholung aller Dinge immer überdeutlich, vielleicht weil dann wirklich irgendwie alles zu Ende geht. Neulich spazierte ich durch den Tiergarten und hörte dazu Klassikradio (s.o.), es schneite buntes Laub, friedlich grasten die Wombats. Ein Klavierstück von Mozart wurde angekündigt, und zwar in einer Aufnahme des norwegischen Radioorchesters! Das norwegische Radioorchester! Ist das nicht wunderbar? Ich fand es ganz fantastisch und fühlte mich – warum auch immer – irgendwie in die Vergangenheit katapultiert. Nicht, dass ich schon mal in der Vergangenheit, geschweige denn in Norwegen gewesen wäre. Aber so stelle ich mir das vor: Lauter kleine Häuser mit bunten Türen, beleuchteten Fenstern und zugeschneiten Dächern, aus den Schornsteinen windet sich der Rauch in einen grauen Himmel hinauf. Hinter den Häusern fahren Kinder Schlitten, auf den Straßen bewegen sich die Leute mit Skiern fort. Über allem… Mozart! So war das früher in Norwegen!

Ich lese gerade Naked Lunch. Dazu wann anders mehr.

Mittwoch, 2. November 2011

There's a light that never goes out.

Es lebt sich einfach leichter in der Annahme, geliebt zu werden. Die Bodenlosigkeit des Geliebtwerdenwollens… Oh wie dumm! Oh wie edel! Oh wie verständlich! Und tatsächlich: wie absurd! Es reicht uns ja nicht, platonisch geliebt zu werden, wir wollen immer mehr. Es geht dabei auch nicht nur um Sex. Beileibe nicht, alles wäre so viel einfacher, ginge es nur um Sex! Und manchmal zerbrechen wir daran, wenn wir dieses Mehr bekommen und meistens, wenn wir es nicht bekommen, siechen wir eben dahin. Kennen Sie das, wenn Sie aufhören, Sie selbst zu sein, um der Mensch zu sein, von dem Sie denken, der Gegenüber wolle das? Oder wenn Ihnen die Angst, nicht mehr (genug) geliebt zu werden, die Luft nimmt, so dass Sie nur noch ein Schatten Ihrer Selbst sind, den es sich dann einfach sehr viel schwerer liebt, als Ihr eigentliches Ich? Sie wissen schon, richtig?

An Tag 2 des Laufens denke ich, dass ich ein fantastisches Leben führe. Ich sage laut zu einem Menschen, den ich gerade kennengelernt habe, der aber in wenigen Stunden mehr über mich erfahren hat, als manch Anderer in Jahren, dass ich eigentlich abbrechen könnte, ich wisse ja nun, dass im Grunde alles wunderbar ist. Aber natürlich gehe ich weiter. Es sind insgesamt 230 Kilometer. Jeden Tag geht es aufs Neue nur darum, anzukommen, zu essen, zu trinken, zu schlafen, zu duschen und zu konversieren. Das ist schaffbar, noch dazu macht es Spaß – na gut, vielleicht nicht jedermanns Sache, aber mir tut es mal gut, Reizüberflutung gegen körperliche Betätigung einzutauschen. Ich könnte ein Loblied auf die Pilgerei singen, und wenn ich das jetzt hier nicht tue, dann liegt es nur daran, dass alles bereits gesagt worden ist, teilweise sehr amüsant von Hape Kerkeling. Was ich noch einmal festhalten will ist, dass es keine Abkürzung gibt, nicht alle Ziele sind gleich, deswegen sind es auch nicht alle Wege, ist ja klar! All diese einfachen Wahrheiten liegen zuhauf neben den gelben Pfeilen, die Richtung Santiago weisen. Ich könnte einen Monatslohn ins Phrasenschwein werfen, würde ich alle Weisheiten des Weges zitieren wollen, unterm Strich bleibt: Man wechselt die Perspektive und Vieles erscheint endlich so gut, wie es tatsächlich ist.

Erstaunlicherweise hält diese Erkenntnis nun schon einen Monat lang an. Ich befürchte, dass die Blase irgendwann platzt, manchmal treffe ich die alte Angst beim Rauchen auf dem Balkon, aber ich lasse sie meistens nicht mehr in die Wohnung. Wenn ich jetzt wirklich den Knopf zum Kopfkino gefunden habe, verdiene ich mich noch dumm und dämlich! Dann geb ich einen aus, versprochen!