Die Mutter eines sehr guten Freundes liegt im Sterben. Es handelt sich nur noch um Tage, vielleicht Wochen. Es war abzusehen, sie hat schon viel länger und in besserem Zustand "durchgehalten" als die Ärzte erwartet und vorhergesagt hatten. Und natürlich ist es der Lauf der Dinge, dass Menschen sterben (darüber wie furchtbar es wäre, unsterblich zu sein, habe ich mich an anderer Stelle schon einmal ausgelassen), und wenn alles seinen Gang geht, dann sind die Eltern vor den Kindern dran. Aber diese Betrachtung des Großen und Ganzen kann vielleicht später als Trost herhalten, jetzt sind es lediglich Worte und noch mehr Worte. Ich kann selbstverständlich nichts tun. Nur zuhören, wenn das überhaupt hilft. Nicht mal Schnaps kann ich anbieten ("denn wo Kummer ist, ist auch Likör"), dafür bin ich räumlich einfach viel zu weit weg. Er sagt, es sei ein seltsames Gefühl: Einerseits wolle er natürlich nicht, dass sie stirbt, andererseits wünscht er sich manchmal, es sei schon vorbei, all das Leiden und Warten. Sie ist seine Mutter, sie war schon immer da, aber die Krankheit hat sie konsumiert; sie ist wie eine batteriebetriebene Lampe, die langsam immer schwächer leuchtet und schließlich erlischt.
Und da sitzt man nun, heult ein bisschen und fühlt sich stellvertretend wie gelähmt. Dann wieder diese alten Gedanken über alle Endlichkeit. "Das Leben ist zu kurz..." heißt es immer - zu kurz wofür? Zu kurz für nicht erfüllende Jobs und Beziehungen, zu kurz für schlechte Musik, zu kurz für unterirdische Laune, zu kurz fürs Hadern, wollen und doch nicht können? Wir messen unser Unglück meistens am Glück der Anderen, doch darum geht es vielleicht gar nicht. Worum also?
Einsehen. zum. Schluss. dass. man. weitermachen. muss.