Freitag, 12. Oktober 2012

Alles in allem.



J. berichtet mir von einer Studie der TU, die sich mit Frauen zwischen 30 und 40 und dem, was man gemeinhin "Karriere" nennt, befasst. Mit einem leichten Schrecken wird mir bewusst, dass ich ja auch eine "Frau zwischen 30 und 40" bin, wobei das was ich tue wohl nur mit viel gutem Willen und einiger Nachsicht als "Karriere" bezeichnet werden kann. Man kennt das ja; viele Dinge werden einem erst klar, wenn man sie formuliert. Obgleich ich im Grunde keine Probleme mit dem Älterwerden habe, dachte ich doch früher immer, dieses Leben würde irgendwann damit aufhören, sich ständig so provisorisch anzufühlen.

Eine Anekdote, denn tatsächlich hält man mich oft für deutlich jünger als ich bin. Erst kürzlich wurde ich beim Zigarettenkauf nach meinem Ausweis gefragt, wobei das – zugegeben – an einer Tankstelle geschah, an der ich auch den vollen Tank bezahlen wollte und wo die Frage "Haben Sie die Zeit?" nach einer erstaunlich langen Denkpause fast mit "19:47" beantwortet wurde, was nahelegt, die Tankstellenangestellte vielleicht nicht ganz für voll zu nehmen. Außerdem ist die Außenmeinung in diesem Fall Tand, man kann Andere vielleicht mit klarer Haut narren, selbst weiß man jedoch (meistens), welches Geburtsjahr im Ausweis steht. Auf dem Ohr, wo die biologische Uhr tickt, scheine ich glücklicherweise ziemlich schwerhörig zu sein, nichtsdestoweniger macht der Hedonismus manchmal Pause und dann fragt man sich schon, ob ein wenig Ernsthaftigkeit hin und wieder nicht doch angebracht wäre. Für die Frage nach dem Sinn gibt es ja eine Menge möglicher Antworten. Die bereits angesprochene Biologie hat da wahrscheinlich ein paar einleuchtende Argumente auf Tasche, aber ich halte es für eine Ausrede und für zu kurz gedacht, dass der Mensch des Menschen Wolf sei, und will auch nicht recht daran glauben. Es kann helfen, (oder auch nicht), Simone de Beauvoir zu lesen (hier jetzt auch der Bogen zu Frauen und Karriere, falls Sie sich bereits fragten, was das nun wieder soll). Seit der Lektüre einer Doppelbiographie zu ihr und Jean-Paul Sartre verehre ich Simone de Beauvoir tief. Sie hat neben Romanen und Schriften zum Feminismus auch in 5 Bänden ihre Memoiren veröffentlicht und ich lese gerade "Alles in allem", was der vorletzte Band ist und ihre Jahre von 1962 – 1972 beschreibt und in dem es auch hin und wieder um diese komischen Sinn geht. Ich halte es ja gern mit Miller, der meinte, der Grund, dass wir dem Leben ständig einen Sinn geben müssen, ist dass es offensichtlich keinen hat. Wenn der Hedonismus Pause macht, gehe ich ab jetzt vielleicht aber doch mit Simone, die zusammengefasst meint, dass alles, was uns schön, wichtig und rein erscheint als Sinn herhalten kann, Boshaftigkeit wird reduziert auf ein Fehlen von Phantasie.

"Während wir hier sitzen, angeln manche Leute." dachte Henri. Er machte sich nichts aus Angeln, aber die anderen, die es liebten: Was hatten die für ein Glück.

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