Können Sie sich noch an Ihre Kindheit erinnern, als die Sommer unendlich und die Winter schneereich waren? Ist das eine Illusion, die man dem Zahn der Zeit zurechnen muss? Erscheint es nicht im Herbst immer so, als hätte man maximal die Hälfte der Dinge getan, die man sich noch im Frühling für den Sommer, den alten Scharlatan, vorgenommen hatte? Nun, im Augenblick will ich mich nicht beschweren, denn sie ist da und überraschend stabil: Die Zeit der lauen Sommerabende, an denen man bis ganz zum Schluss und maximal am Ende mit einem leichten Frösteln ohne Jacke draußen sitzt und im besten Fall Bier trinkt, gute Gespräche führt und Zigaretten raucht (seit der Fusion drehe ich mit meinen "krummen Pfoten" (wie mein liebenswerter älterer Bruder sagen würde) übrigens selbst und habe seitdem noch mehr(!) Spaß am Rauchen).
An einem dieser lauen Sommerabende renne ich also nach Hause, um mich ein letztes Mal in die Arme von Amory Blaine zu werfen und meinen Kopf in seiner Schulter zu bergen. Naja, das Rennen muss man vielleicht doch auch dem Umstand zuschreiben, dass ich ausgereizt habe und dringend "mal muss" (worum ich Männer in diesem Zusammenhang beneide, habe ich ja an anderer Stelle schon einmal festgehalten), aber was mich wirklich nach Hause zieht, sind Amory Blaine, mein Sofa und Midlake. Fitzgerald gelang in meinen Augen ja immer wieder das Kunststück, auf den ersten Blick wenig sympathische Charaktere so zu beschreiben und zu erklären, dass man sie nach ein paar Seiten versteht und bei Identifikation mit einigen ihrer Züge auch ins Herz schließt. Als ich meine Schlafenszeit überspanne und "This Side Of Paradise" schließlich ausgelesen habe, fühle ich mich literarisch verwaist, gleichzeitig erkannt und um einen imaginären Freund reicher.
"I'm not sentimental - I'm as romantic as you are. The idea, you know, is that the sentimental person thinks things will last - the romantic person has a desperate confidence that they won't."