Sonntag, 31. Juli 2011

Nostalgie.

Sommer auf dem Land riecht immer noch so, wie damals als ich ein Kind war. Ich fahre am Mittwochabend ins schöne Thüringen und bin bis Leipzig kurzweiligst abgelenkt, da ich eine Freundin aus der Schul- und mittlerweile (glücklichwerweise) Lebenszeit an Bord habe. Dann sind es noch etwa 40 Minuten bis zu dem Ort, den ich immer noch "zu Hause..." oder wahlweise "zu Hause... erm... bei meinen Eltern." nenne. Die Sonne geht farbenprächtig unter und man könnte die Straßen blind fahren, kennt jeden Stein, jeden Baum, jede Kurve, all die Plätze, an denen Dinge passierten. Ich höre Arcade Fire, strecke mich und seufze kurz. Wenn man sagt, die eigene Sozialisierung habe größtenteils im Pop stattgefunden, dann ist das Ziehen zwischen Herz und Magen, das ich manchmal verspüre und hier mal "Nostalgie" nenne, kein wirklich unangenehmes Gefühl, ganz im Gegenteil. Tatsächlich ist es nämlich eher positiv als negativ besetzt. In letzter Zeit bin ich in gewissem Sinne krank vor Nostalgie, wobei ich selbst nicht richtig weiß, warum.

Sommer auf dem Land bedeutet immer noch: Barfuß laufen, Wegrandsträuße pflücken, durch Pfützen waten, auf der Vorbautreppe Eiscreme essen, Mähdrescher überholen, auf Strohballen steigen, den Heuschnupfen ignorieren, Springkraut hüpfen lassen, durch den Garten streifen und - die Sonne im Rücken - unterm Pflaumenbaum Bücher lesen.

Am Freitagmorgen steigen wir in Jena Paradies in einen ICE nach München. Wir kennen uns eigentlich schon immer und werden nun etwas nachholen, was wir vor etwa 18 Jahren hätten tun wollen. Es wird ein ausgesprochen heiterer Ausflug in bester Gesellschaft. Um 19:30 spielen die wunderbaren Pet Shop Boys als Vorband von Take That (bitte unter "Absurditäten des Pop-Zirkus" verbuchen!) ein kurzes Set im Olympiastadion. Als ich (noch) jünger war, und bevor ich einen realtiv wasserdichten Musikgeschmack entwickelte, waren Take That meine Lieblingsband. In Wahrheit kann man wohl sagen, dass ich bis etwa 21 in Robbie Williams verliebt war. Jedenfalls ist es zunächst ein wenig wie auf dem Traumschiff: Feuerwerk, Tänzer, Bühnenshow. Die Band spielt neue Lieder, die ich alle nicht kenne und mir wohl auch privat nicht anhören würde, aber immerhin ist aus diesem Howard ein erstaunlich attraktiver Mann geworden. Dann Roooooobbiiiiieeeee, seines Zeichens vorbildliche Rampensau - das Stadion rastet aus, wobei er und die Band sich im Grunde gegenseitig einen Gefallen tun mit dieser Tour, denn seine letzten beiden Alben waren schlecht und er würde kein Stadion auf eigene Faust füllen und insgesamt verkauft man wohl als Take That-Vollbesetzung einfach mehr Tickets. Im letzten Teil der Show spielt man dann die alten Hits von Back For Good über Pray bis Relight My Fire und kurz muss ich doch schlucken, denn dann steht man dort, 15-20 Jahre später und fragt sich, wo die Zeit hin ist. Immerhin fragt man sich nicht "Where did it all go wrong" und unterm Strich bin ich froh, dass wir zwar unter Umständen nicht jünger sind, als der Großteil des Publikums, aber immerhin so aussehen, als wären wir es.

Zurück im hier und jetzt erklärt mir meine Nichte eine Welt, die wir beide nicht verstehen und ich packe meine Tasche, um zurück nach Berlin zu fahren. München, so schön es auch sein mag, hat mir bewusst werden lassen, WIE sehr ich Berlin mag und zusammenfassend ist es mit der Nostalgie wohl so, wie wenn man von Weitem eine Sommerwiese betrachtet - sieht aus wie ein Blumenbeet. Ist es aber nicht. Alles ist gut.

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