Ich gehe erstmals seit 8 Jahren zum Zahnarzt. Es
ist jämmerlich, unwürdig und auch ein wenig traurig, vor allem aber geht es so nicht
weiter. Ich ertrage keine körperlichen Schmerzen. Also GAR KEINE. Den Höhepunkt
des Leidens stellt der Zahnarzt dar, wobei der Gedanke ans Blutabnehmen auch
schon das blanke Grauen auslöst. Die Aussicht, zum Zahnarzt gehen zu müssen,
erscheint mir fast schlimmer, als die Aussicht auf den leibhaftigen Tod! Und
ich gehe ja auch nur hin, weil die Angst vor dem Arzt mittlerweile kleiner ist,
als der Schmerz in meiner rechten oberen Kauleiste, und das liegt nicht daran,
dass die Angst kleiner geworden ist. Mitnichten! Wenn man sich jedoch vor
Schmerzen gekrümmt auf dem Badvorleger wiederfindet, ist es wirklich Zeit,
etwas zu unternehmen.
Der eigentlich Termin stellt sich dann natürlich
als viel weniger dramatisch heraus, als ich es mir in einer schlaflosen Nacht
voll blutiger Horrorvorstellungen ausgemalt hatte. Scheinbar hat sich in den
letzten 20 Jahren im Bereich der Dentaltechnik doch einiges getan. Ich hab
keine schlechten Zähne, ich hatte nur als Kind mal eine schlechte Zahnärztin,
die wohl maßgeblich für meine Angst verantwortlich zeichnen muss. Und natürlich
liegt es auch nicht an mir, wenn (gefühlt?) 135 Jahre alte Amalgamfüllungen
irgendwann ihren Dienst quittieren. Mitten in der Behandlung fängt der Arzt an,
mich zu duzen, und ich glaube zu sehen, wie er und die Sprechstundenhilfe ein
wenig lachen, als meine rechte Gesichtshälfte von der Betäubung gelähmt
beginnt, (gefühlt?) ein wenig nach unten zu hängen, was mich nicht davon abhalten kann, weiterhin jeden kleinen Schritt der Untersuchung zu hinterfragen. Als alles vorbei ist, gebe
ich den Anwesenden überschwänglich die Hand und bedanke mich aufs innigste. Ich
trete voller Stolz auf die abendliche Straße, die mir schöner erscheint, als
jemals zuvor, und dabei fühle ich mich wie die Heldin, die lebendig aus einer eigentlich aussichtslosen
Schlacht zurückkehrt. Ich würde eine Zigarette rauchen, aber der betäubte Mund
macht es mir unmöglich, den Zug zu entwickeln, um überhaupt eine zu entzünden. Also bleibt nichts als seufzen und
die Freude an diesem wunderbarsten aller Gefühle: Wenn der Schmerz endlich
nachlässt.
2 Kommentare:
ach Sally, das haste mal wieder schoen gesagt und geschrieben! wie immer eigentlich. und mich flugs in meine Kindheit zuruecktransportiert, als wir Kinders im Winter nach dem Skifahren in Baumwollsocken und Handschuhen (wir hatten ja nuescht im Osten, gell!?) die voellig eingefrorenen Haende und Fuesse an den Kachelofen hielten, in der Hoffnung, der wuerde ebensolche Extremitaeten laaaangsam wieder auftauen. Tat er natuerlich nicht, sondern mit einem BANG, einem Schmerz, der einem den Kinderatem nahm. Und meine toughe Mama zu einem Spruch verleitete, fuer den ich sie damals nicht gut leiden konnte "Am schoensten ist es, wenn der Schmerz nachlaesst."
Nee, klar.
Mütter - sie haben eben IMMER recht! :) Komm bald wieder zum Skifahren und Händeauftauen!
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