Mittwoch, 21. November 2012

O coração, se pudesse pensar, pararia. – Wenn das Herz denken könnte, stünde es still.



Neulich telefonierte ich mit meinem Freund J., auch um ihm atemlos und hocherfreut mitzuteilen: "Sie werden es nicht glauben, aber ich habe eine neue Sau gefunden, die es durchs Dorf zu treiben gilt!" Ich lese "Das Buch der Unruhe (des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares)" von Fernando Pessoa. Allein der Titel! DAS BUCH DER UNRUHE. Schon weit bevor ich Pessoa zu lesen begann, wusste ich, dass ich ihn lieben würde. Es passt zu allem, was Portugal betrifft – irgendetwas ist da zwischen mir und diesem Land. Zu sagen, es sei ein tieferes, vielleicht sogar schicksalhaftes Verständnis wäre sicher zu hoch gegriffen und nicht treffend, aber aus irgendeinem Grund tut Portugal mir immer gut. Vielleicht liegt es daran, dass es zwar keine Übersetzung des Wortes "saudade" gibt, ich aber trotzdem sicher bin, zu wissen, was es bedeutet. Nun also endlich Pessoa!

Dem Buch der Unruhe gelingt – entgegen seines Namens – das seltene Kunststück, mich ruhig(er) zu machen. Die "Autobiographie ohne Ereignisse" des fiktiven Hilfsbuchhalters Bernardo Soares – eines "Halbheteronyms" Pessoas – ist nicht linear erzählt, es gibt keinen roten Faden, man kann dieses Denk-, Lebens- und Traumtagebuch überall aufschlagen, und ist immer an der richtigen Stelle. Wahrscheinlich gehört es – wortgewaltig, klug, präzise und poetisch erzählt – zu den Büchern, die man ein Leben lang auf dem Nachttisch liegen hat und bei einem Hausbrand neben dem eigenen Tagebuch (insofern man ein solches führt), vor den Flammen retten würde. Derzeit ist es das Buch, dem ich zärtlich über den Einband streiche, wenn ich es beim Ausstieg aus der S-Bahn wieder in meiner Tasche verstaue. Ursprünglich – und was könnte passender sein? – war Das Buch der Unruhe gar kein Buch, sondern eine lose Sammlung von etwa 35.000 Manuskriptseiten mit Notizen, Kurzessays, Aphorismen, und Fragmenten, welche in einer riesigen Überseekiste in der Nationalbibliothek von Lissabon (!) bis 1982 (und damit 47 Jahre nach dem Tod Pessoas) auf ihre Erstveröffentlichung wartete und seitdem mehrere Neuveröffentlichungen und –übersetzungen erfahren hat. Zu unserem Glück, denn "Wir alle, die wir denken und träumen, sind Hilfsbuchhalter… Wir führen Buch und erleiden Verluste; wir zählen zusammen und gehen weiter; wir ziehen Bilanz, und der unsichtbare Saldo spricht immer gegen uns."   

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