Mittwoch, 11. August 2010

Balkongespräch mit Dienstag.

Ich radle in Windeseile nach Hause, hole mir Apfelsaft aus dem Kühlschrank, durchquere meine Wohnung, schalte nebenher ein paar Lampen und die Musik an (Belle & Sebastian – Tigermilk, das war lange nicht), und trete auf den Balkon um die letzte Zigarette des Tages zu rauchen. Zu meiner Überraschung sitzt der Dienstag auf einem der Stühle und schaut mich fast erleichtert an.

Dienstag – in der Folge D.: Oh, ich dachte schon, wir würden uns verpassen. Ne halbe Stunde später, und wir hätten uns nicht mehr unterhalten können.
Ich – in der Folge U. (mit Blick auf die Uhr, einen der anderen Stühle besetzend): Stimmt, war denkbar knapp. Was machst Du überhaupt hier, hast Du nichts besseres zu tun?
D. (seufzt): Sag Du´s mir!
U.: Nun, Russland brennt ab, Pakistan ertrinkt, irgendwo wird bestimmt gerade ne Galerie eröffnet und bei McDonalds gibt´s den Cheeseburger für 1€, ich denke, Du hättest was zu tun finden können.
D.: Wenn Du so willst, sicher, aber ich mag die Ruhe auf Deinem Balkon, außerdem hast Du neuerdings so was Ausgeglichenes.

In dem Moment fährt die M2 ratternd die Prenzlauer Allee entlang.

U. (eine Augenbraue hochziehend): Ach ja, die Ruhe, fast hätte ich sie nicht erkannt. Genau wie diese Ausgeglichenheit, von der Du sprichst, das täuscht, aber trotzdem danke.
D.: Wie fandest Du mich heute?
U.: Hm. Schwer zu sagen. Du hättest besser starten können, dass man gegen halb 7 angefangen hat, unter meinem Schlafzimmerfenster den Rasen zu mähen und ich nicht frei hatte, war hart, aber schließlich hast Du Dich schon noch ganz ordentlich ins Zeug gelegt. Ich sag mal ne 2-, ist das ok?
D.: Hm, akzeptabel. Sag mal, wenn Du so vor Dich hinschreibst, findest Du nicht, dass das alles zu autobiographisch ist.
U.: Tiefschlag, mein Lieber, damit wird´s jetzt ne 3+ aber ok, ich lese gerade Kurzgeschichten von Boyd, und in der Einleitung sagt er, dass junge Autoren gern erstmal autobiographisch schreiben, es sei denn, sie sind wirklich brillant.
D.: Was sagt uns das über Dich? Brillant bist Du bestimmt nicht, aber so richtig jung auch nicht mehr.
U.: Bist Du nachtragend oder einfach generell feindselig? Ich dachte, Du wolltest mir etwas erzählen.
D.: Verzeih, als Dienstag steht man einfach enorm unter Druck. Ich fand die Geschichte mit dem Loslassen und dem Tod neulich gut.
U.: Was fandest Du denn daran gut, das war doch alles Hippie-Scheiß!
D.: Vielleicht, aber es machte Dich plötzlich so weich, als hätte man Dich ausschließlich in Pastellfarben gemalt.
U.: Wie lange haben wir eigentlich noch?
D.: Mist, in nichtmal 5 Minuten bin ich Geschichte. Mach´s gut.
U.: Ja, viel Glück! Und so.

Ich gehe kopfschüttelnd nach drinnen, wasche mir das Gesicht, und als ich zähneputzend zurück ins Wohnzimmer komme, sitzt der Mittwoch auf dem Sofa, schaut mich herausfordernd an und….

M: Wenn Du vorhast, mit mir zu reden, musst Du auf jedem Fall die Zahnbürste aus dem Mund nehmen, außerdem kleckerst Du alles voll!

Hat man denn nie seine Ruhe?

9 Kommentare:

Polly Pocket hat gesagt…

jetzt kennst du grund, weshalb ich in meiner wohnung nie licht mache...

die jungs von den wochentagen haben schon seit monden schlechte laune. wenn ich nur wüsste, was denen über die leber gelaufen ist. oder kommen die im sommer generell schlecht drauf, weil jeder sein ding macht und die wocheneinteilung in tage nur so proforma nutzt? hm...

ich schätze, es handelt sich um ganz ordinäre aufmerksamkeitsdefizite. die tage sind schließlich voller reizüberflutung und platzen förmlich vor unternehmungen.

da fällt mir auf: freitag und samstag habe ich bisher noch nie getroffen. gibt es die vielleicht gar nicht?

mole_muc hat gesagt…

... sehr schön - wann wird das verfilmt ?

oder reicht der Film im kopf ...

Sally Cinnamon hat gesagt…

Freitag und Samstag verkleiden sich wohl ständig, die erkennt man nicht gleich, bei denen ist immer Karneval.

Und wegen der Verfilumg habe ich auch schon überlegt, wobei die richtige Besetzung so schwer ist. Inge Meysel lebt nicht mehr, oder?

Tante Oberursel hat gesagt…

inge meisel als d. oder als u.???

Sally Cinnamon hat gesagt…

In beiden Rollen. Und Harald Juhnke als M.

Tante Oberursel hat gesagt…

herrlich!

mole_muc hat gesagt…

... nö - weil

U: charlotte gainsbourg
D: der Gwisdeck (kautzig)
M: der Ulmen (unentschlossen)

Polly Pocket hat gesagt…

alles klar! damit hat sich mole für die rolle des producers qualifiziert! glückwunsch mein lieber!!! :D

Sally Cinnamon hat gesagt…

Nun ja, ich weiss nicht... Charlotte Gainsbourg geht ja wohl doch ganz schön an den Realitäten im Bauhaus vorbei, andererseits würde es damit dann doch wieder passen. Gedreht wird aber nur an Originalschauplätzen!