Mittwoch, 28. Oktober 2009

Here comes the fear again.

Was wenn keine Fußballmetapher? Real Madrid verlor gestern Abend mit 0:4 in der Copa del Rey gegen Alcorcón aus der Segunda B, was das spanische Äquivalent zu unserer 3. Liga ist. Das Kartenhaus, das mein aktuelles Leben darstellt, schwankte parallel dazu am gestrigen Tag auch recht bedenklich, und es ist wohl bei uns beiden noch nicht ganz klar, ob das nur ein kurzer Blick ins Dunkle unter der Oberfläche war, oder ob wir tatsächlich schweren, hässlichen Zeiten entgegen gehen.

Es ist erstaunlich, wie Menschen in Krisenmomenten oder bei Gefahr reagieren. Manche wachsen über sich hinaus, andere brechen zusammen, und ich bin das typische Kaninchen vor der Schlange - im ersten Moment wie gelähmt. Interessant ist in dem Zusammenhang die zweite Reaktion – also die nach der Schockstarre. Tränen sind als dramatisches Accessoire sicherlich nicht das Schlechteste, aber mir persönlich sind sie gern auch ein wenig peinlich, besonders, da mir ein dezentes Weinen nie vergönnt war. Ich gehöre eher zum Typ Rotz und Wasser, was natürlich gerade in der Öffentlichkeit eher unangenehm ist. Ich glaube, es sagt viel über den eigenen Charakter aus, wie man mit schwierigen Situationen umgeht. Oder eben nicht umgeht; Ignorieren verschafft Zeit, so viel Zeit, bis es zu spät ist.

Real Madrid bekommt eine 2. Chance; anders als im deutschen DFB Pokal gibt es nämlich in der Copa del Rey ein Rückspiel, in diesem Fall wird das im Santiago Bernabéu ausgetragen, was helfen kann, aber nicht muss. Andererseits ist die eigene Geschundenheit, sind die 3-4 Narben, die man mit sich rumschleppt, oft doch nur bloßes Dekorum, manchmal ist man nämlich leider doch nicht ganz so groß, wie die eigene Legende einen glauben macht. I don´t deserve a soul, yet I still have one. I know because it hurts.

Montag, 26. Oktober 2009

If I could wake up in a different place, at a different time, could I wake up as a different person?

Meine Lieblingsstelle bei Fight Club (in der Filmversion) ist, wenn der Erzähler (Edward Norton) den Einkaufswagen mit seinem Computer und dem ganzen Kram vor sich herschiebt, nachdem er sich selbst im Büro seines Chefs zusammengeschlagen hat. Dabei sieht er körperlich ganz schön mitgenommen aus, aber aus seinen Augen spricht der pure Triumph. Mein Lieblingssatz aus dem gleichen Film ist ganz am Ende, wenn der Erzähler zu Marla Singer sagt "You met me at a very strange time in my life.", während diese ganzen Bürogebäude in die Luft fliegen.

Anne sagte neulich, dass es Opfer und Täter gibt, und dass diese einander auf der Straße erkennen und sich quasi gegenseitig anziehen. Ich fand das einen ganz unglaublichen, verstörenden Satz, der mich aufgrund verschiedenster aktueller Ereignisse schon fast eine Woche nicht mehr loslässt. Ich denke, abgesehen von Opfern und Tätern gibt es sicher noch die graue Masse, die weder das Eine noch das Andere so richtig ist, dennoch komme ich nicht umhin, mich zu fragen, ob ich eher Opfer oder eher Täter bin. (Ich finde es übrigens fantastisch, mit dieser Art Frage zu arbeiten, das hört sich immer total Carry Bradshaw an… Wie dem auch sei.) Es gibt auch noch eine Menge anderer Punkte, die mich zu diesem Thema beschäftigen: Woran erkennen sie sich? An einem Blick? Chemie? Biologie? Biochemie vielleicht? Psychologie? Unsinn? Keine Ahnung, aber eine Sache lässt mich nicht los: Wird man direkt schon als Opfer oder eben als Täter geboren, oder macht einen erst "das Leben" dazu? Und wenn man erst dazu gemacht wird; kann man dann auch einfach wieder damit aufhören? Ich meine, liegt dem nicht-mehr-mitmachen eine bewusste Entscheidung zugrunde? Kann und muss man vielleicht sogar die Seiten wechseln? Oder ist man sowieso immer beides: Sowohl Opfer als auch Täter? Hat das alles etwas mit der Nahrungskette zu tun?

Boss: "Is that your blood?" Narrator: "Some of it, yeah."

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Kleines Solo

Nachdem wir am Montag (leider vergeblich) versucht hatten, Union in der Alten Försterei zu einem Heimsieg zu grölen, aber nebenher wenigstens ordentlich Bier getrunken, angestaute Emotionen rausgelassen und den Sektor 2 ästhetisch aufgemöbelt hatten, taten wir gestern Abend mal wieder so, als verstünden wir etwas von Kultur. Nach dem überaus erfolgreichen Goethe-Abend im Juni, hatten wir uns für den Sommer Erich Kästner vorgenommen. Dummerweise war die warme Jahreszeit schneller zu Ende, als wir gedacht hatten, so dass der vor allem durch seine Kinderbücher bekannte Dresdner bis gestern warten musste, ehe im Bauhaus ein paar seiner Gedichte vorgetragen werden konnten. Bei untenstehendem Werk wurde uns dann aber klar, dass der Herbst wahrscheinlich eh die beste Zeit für dieses Unterfangen ist, denn uns wurde innerlich mindestens so kalt, wie es draußen eh schon war:

Kleines Solo
Einsam bist du sehr alleine.
Aus der Wanduhr tropft die Zeit.
Stehst am Fenster. Starrst auf Steine.
Träumst von Liebe. Glaubst an keine.
Kennst das Leben. Weißt Bescheid.
Einsam bist du sehr alleine -
und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.

Wünsche gehen auf die Freite.
Glück ist ein verhexter Ort.
Kommt dir nahe. Weicht zur Seite.
Sucht vor Suchenden das Weite.

Ist nie hier. Ist immer dort.
Stehst am Fenster. Starrst auf Steine.
Sehnsucht krallt sich in dein Kleid.
Einsam bist du sehr alleine -
und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.

Schenkst dich hin. Mit Haut und Haaren.
Magst nicht bleiben, wer du bist.
Liebe treibt die Welt zu Paaren.
Wirst getrieben. Mußt erfahren,
daß es nicht die Liebe ist...
Bist sogar im Kuß alleine.
Aus der Wanduhr tropft die Zeit.
Gehst ans Fenster. Starrst auf Steine.
Brauchtest Liebe. Findest keine.
Träumst vom Glück. Und lebst im Leid.
Einsam bist du sehr alleine -
und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.

Montag, 19. Oktober 2009

(I believe in) travellin' light.

Familie. Regen. Pfützen. Kaffee. Freunde. Gore Tex. Kings of Convenience. Bunte Blätter. Gummistiefel. Kastanien. Pilze. Hunde. Mittagessen. Franz Ferdinand. Äpfel. Wind. Knoten in den Haaren. Wald. Ausschlafen. Kuchen. Gelächter. Katzen. Beatles. Tagebücher. Altbekanntes. Autofahren. Aus der Entfernung Verwirrendes. Seufzen. Schultern hochziehen. Nasse Füße. The Smiths. Gedankenkreisel. Kinderfotos. Astern. Playstation. Becks. Einblicke. Ausblicke. Kapuzen. Tanzen. Gartenzäune. Fassaden. Kopfschütteln. Wachliegen. Willkommen und Abschied.

Ein Wochenende in der Provinz. Ein Wochenende auf einem anderen Planeten. Manchmal sieht von Weitem alles leichter und irgendwie klarer aus. Manchmal nicht.

Freitag, 16. Oktober 2009

Fragmente einer Selbsttäuschung

In letzter Zeit ist es oft schon dunkel, wenn ich abends nach Hause komme. Aufgrund sehr widriger Umstände, die nichts aber auch GAR NICHTS mit angeborenem Ungeschick oder gar Faulheit zu tun haben, beleuchte ich meine Wohnung immer noch mit Steh- und Bodenlampen, was im Sommer kein Problem war. Jetzt wäre es auch übertrieben, es ein Problem zu nennen, nur manchmal ist es ein wenig unpraktisch, weil ich mich nun meist zunächst mit einer mir leider nicht eigenen traumwandlerischen Präzision zur Lampe im Wohnzimmer bewegen muss, um sehen zu können, ob in meiner Abwesenheit eventuell eingebrochen wurde oder die Katze die Möbel zerkratzt hat. Weil ich Angst im Dunkeln habe, rufe ich abends nun oftmals ein "Hallo Schatz, ich bin zurück." in den Raum. Anschließend kichere ich kopfschüttelnd ein wenig vor mich hin, mache das Licht an, hole mir ein Bier aus dem Zweitkühlschrank, höre überlaut Musik aus den 90ern und rauche eine Zigarette auf dem Balkon. Das Leben ist schön, man muss sich halt auch an kleinen Dingen freuen können.

Mittwoch, 14. Oktober 2009

We Love Life.

Wenn man auf dem Land aufwächst, wird man in relativ jungen Jahren daran gewöhnt, dass der Tod immer urplötzlich einen Auftritt am Rande des eigenen Lebens haben kann. Ständig wird irgendeine Katze überfahren oder vom Hund gefressen, richtet der Fuchs ein Desaster im Hühnerstall an, verwelkt ein Wegrandblumenstrauß nach dem anderen auf dem Wohnzimmertisch, sieht man kopflose Hühner oder Enten ein paar Meter grotesk durch den Garten watscheln, stellt man die Verbindung zwischen dem Sonntagsbraten und dem Fehlen der Kaninchen im Stall her, und wer eine kommunistische Kindheit in der Provinz erleben durfte, der kam wahrscheinlich auch nicht darum herum, beim jährlichen Schlachten eines Schweines das Blut umzurühren. Wenn man älter wird, muss man dann leider Lernen, dass auch Menschen manchmal sterben, und schließlich wird einem klar, dass man selbst wahrscheinlich auch irgendwann dran sein wird. Ich habe mir aufgrund des Herbsteinbruchs in letzter Zeit ein paar Gedanken zum Thema Sterben und zum Tod gemacht. Das bedeutet jetzt aber nicht, dass man beim psychologischen Notdienst anrufen muss, um mich davor zu bewahren, aus dem 5. Stock des Glasturms, der mein Bürogebäude ist, in die Spree zu springen. Mitnichten und ganz im Gegenteil.

Es gibt ja Menschen, die sagen, sie fürchteten sich nicht vor dem Tod an sich, sondern eigentlich nur vor dem Sterben, dem ganzen Leid, dem langsamen Nicht-mehr-können-wie-man-will, dem Ausgeliefertsein. Ich hingegen habe gleichermaßen Angst vor Tod und Sterben. Natürlich möchte ich als besonders wehleidiges Exemplar der Spezies Mensch gar nicht erst über die Schmerzen nachdenken, die es wohlmöglich zu erleiden gilt, aber mindestens den gleichen Respekt habe ich vor dem Gedanken an die Leere, die eventuell darauf folgt. Nichtsdestotrotz ist die Idee eines unendlichen Lebens eine ganz und gar erschreckende Überlegung – nicht, dass das momentan möglich wäre, aber in Anbetracht des Biologie-Nobelpreises ist das sicherlich auch nicht komplett abwegig. (Ganz abgesehen natürlich vom christlichen Gedanken des Lebens nach dem Tod, aber der ist mir momentan zu abstrakt, um darüber nachdenken zu können, also spare ich den hier mal aus.) Angenommen also, es ginge immer weiter, würde dann nicht alles was wir denken und tun an Bedeutung verlieren? Alles nutzt sich irgendwann ab, und ich ahne ohne es zu wissen, dass der Sinn des Lebens (falls es ihn gibt) auf der Tatsache beruht, dass sowohl Gutes als auch Schlechtes irgendwann zu Ende ist. Die Konsequenz aus dieser Überlegung müsste also sein, dass man jeden Tag lebt, als sei es der Letzte ohne irgendetwas zu bereuen. Das ist einfacher gesagt als getan und außerdem hört es sich derart flach und nach Kalenderspruch an, dass es fast schon körperlich weh tut. Aber vielleicht sollte man einfach einen Umkehrschluss ziehen: Wenn man Angst vor dem Tod hat, muss das doch heißen, dass man sein Leben trotz allem was manchmal dagegen spricht wenn schon nicht liebt, dann doch wenigstens sehr gern mag, und das ist an einem saukalten Mittwoch im Oktober mit Augenringen bis zum Kinn und einem Mittagessen, das den Namen nicht verdient auf keinen Fall zu verachten.

Montag, 12. Oktober 2009

Herbsttag

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke, 21.9.1902, Paris

Es ist unglaublich leicht, dieses Gedicht zu mögen. Vor allem heute.

Freitag, 9. Oktober 2009

Obsessions in my head don´t connect with my intellect.

Als ich ein Kind war, hatte ich meistens Schmerzen in den Kniekehlen, wenn ich wuchs. Ich war immer eines der größten Kinder in meiner Klasse und wuchs sehr schnell, meistens schubhaft und verbunden mit den besagten Schmerzen in den Kniekehlen. Wachsen tat weh und manchmal tut es das auch heute noch. Früher, weil es für die Knochen scheinbar zu schnell ging, heute, weil es gegen das Sicherheitsbedürfnis geht – jedenfalls gegen meins. Im Demian von Hesse ist dieser Punkt, wenn alles zusammenfällt sehr schön beschrieben. Wachsen scheint heute nur durch gelegentliche Dramen und Niederlagen möglich. Man eckt ständig irgendwo emotional an, die Vielzahl an Türen, durch die man scheinbar hindurchgehen könnte, macht es fast unmöglich eine auszuwählen, diese ständige Angst etwas zu verpassen, nimmt immer mehr Raum ein. Und dann das: Wahrscheinlich spielt uns der Kopf einen Streich oder das, was wir Herz nennen, führt uns hinters Licht, denn wie kann es sein, dass man etwas vermisst, das man nie wirklich besessen hat?

Mittwoch, 7. Oktober 2009

Choose life. Choose a job. Choose a career.

Ingenieure sind eine wirklich interessante Spezies Mensch. Keineswegs schlecht; ich meine das auch nicht irgendwie abwertend oder von oben herab, sondern ich finde es einfach erstaunlich, dass es sie gibt und wie sie so sind. Ich arbeite mit ziemlich vielen Ingenieuren zusammen, auch wenn ich ihnen selten persönlich begegne. Ich weiß nicht, ob es auf der Absicht meiner Vorgesetzten beruht, dass wir räumlich voneinander getrennt sind, und uns höchstens in den verschiedensten Staff-, Projekt-, Wochen-, Report- etc. Meetings über den Weg laufen, aber diese kurze Zeit reicht mir, um mir mein natürlich ganz subjektives Bild zu machen. Es kommt mir oft so vor, als seien sie von einem ganz anderen Planeten oder sprächen zumindest nur in Ansätzen die gleiche Sprache wie ich. Es gibt auch scheinbar keinerlei Schnittmengen zwischen unseren Welten; selbst wenn sie zum Beispiel als Hobby Joggen angeben, stelle ich mir das irgendwie nerdig vor. Ich wäre ehrlich überrascht, wenn ich einen von Ihnen bei einem Konzert, in einer Bar oder in der Alten Försterei träfe, und würde sie dann wahrscheinlich gar nicht erkennen, aus dem einfachen Grund heraus, dass ich sie dort nicht erwarten täte. Wobei ich eigentlich schon davon ausgehen muss, dass sie sicherlich auch ein Privatleben und Interessen haben, die über alkalische Zellen, Spannungskurven, Latenzzeiten, Softwareversionen und derlei Dinge hinausgehen, aber ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Vielleicht wohnen sie ja auch hier im Bürogebäude, wer weiß? Nein, das kann eigentlich nicht sein, denn ab und an treffe ich den einen oder anderen im Fahrstuhl, was immer leicht unangenehme Momente sind, weil man sich nicht mehr zu sagen hat als "Na, guten Morgen auch."… "Schon Freitag, was?" "Hm." "Pfff", und da kann die Fahrt in den 5.Stock ganz schön lang werden. Dennoch akzeptiere ich staunend, dass es sie gibt, und im Grunde bin ich auch ein wenig neidisch, denn die meisten von ihnen scheinen ihre Arbeit wirklich zu mögen und einen tieferen Sinn darin zu erkennen, was mir wiederum zeitlebens ein fremder Gedanke war und ist. Ich bin in diesem Sinne auch nur eine selbstbezogene, egomanische Küchentischphilosophin – wobei mein größter Verdienst darin besteht, noch nicht einmal einen Küchentisch zu haben, während Informatiker die Handwerker der Zukunft sind. Wer lacht jetzt also über wen? You can´t lie to your soul.

Montag, 5. Oktober 2009

Years disappear like the bubbles in my beer.

Man erinnert sich. Man blickt zurück. Jahrestage. 2009: ein Jahr voller Jahrestage. Jedes Jahr ist voller Jahrestage, aber man nimmt dieselben ernster, wenn sie rund sind, oder das erste Mal auftauchen. Zeitreisen sind anstrengend, weniger für den Körper als für die Seele, emotionaler Hangover vorprogrammiert. 10 Jahre sind eine lange Zeit. Auf den Fotos von einst sehen wir erstaunlicherweise schlechter aus als heute, leider wird das in 10 Jahren nicht mehr so sein, aber vielleicht ist das auch nur eine Frage der vorherrschenden Mode, wer weiß? Außerdem stellen wir fest, dass wir wirklich nur in unseren Köpfen "cool" wirkten, das tut ein bisschen weh, erklärt aber im Nachhinein so einiges.

In illustrer (wenn auch leider nicht ganz vollständiger) Runde begaben wir uns am vergangenen Wochenende in ein Brandenburgisches Postkartenidyll aus einer Zeit, in der man Fotos noch anfassen konnte, die Renten sicher waren, eine Kugel Eis 50 Pfennige und das halbe Eisbein keine 10 Mark kostete und Spaßbäder eine gute Investition schienen, um unserer vor 10 Jahren begonnenen Studienzeit zu gedenken. Dass uns das ZDF mit einem Udo Jürgens Special beglückte und ich mich generell bei der Auswahl der Musik halb-diktatorisch durchsetzen konnte, gab Anlass für gelegentlich leicht unzufriedenes Murren, spann aber gleichzeitig den mehr als passenden Soundtrack, wenn auch nicht unseres Lebens, dann doch immerhin dieses Wochenendes am See. Die Wagemutigen von uns begaben sich dann auch todesmutig in einer Nussschale in die tosenden Fluten des Teupitzer Sees, nur um eklatante Textsicherheitsschwächen bei Seemannsliedern zu offenbaren, und gleichzeitig doch auch deutlich zu machen, dass man sowohl in Oxford als auch in Cambridge froh über solch ambitionierte Ruderer wie uns gewesen wäre.

Vieles ist heute anders als "damals". Man wohnt nicht mehr nebeneinander oder wenigstens im gleichen Land, war auch schon mal trinkfester, dafür irgendwie idealistisch und weniger zynisch, spielte Brettspiele statt Facebook-Updates, trug Pony, hatte Zwangshandlungen die liebenswert und nicht anstrengend waren, Träume, deren Erfüllung irgendwie möglicher erschien und plante mit Jobs, die die Welt verändern sollten. Aber unter der etwas härteren Oberfläche von jetzt ist doch vieles wie zuvor, und das gibt in Momenten der allgegenwärtigen, großen Unverbindlichkeit so etwas wie Halt. Das Leben ist eben nicht wie auf der Rudermaschine. Man kämpft nämlich immer auch gegen die Gezeiten, das Schilf, den Schlamm und allem voran das eigene Unvermögen. Gut zu wissen, dass man nicht allein im Boot sitzt. Auf die nächsten 10! …oder eben bis spätestens Silvester!

Donnerstag, 1. Oktober 2009

You never tell me what it is that makes you strong and what it is that makes you weak.

Manchmal ist mir, als spräche mein Verstand mit sehr lauter Stimme zu mir, leider jedoch in einer seltsamen Sprache, von der ich nur etwa jedes dritte Wort verstehe. Ich reime mir den Sinn dessen, was er sagt so gut es geht zusammen, doch da ich mir nie ganz sicher sein kann, richtig zu interpretieren, was genau er mir mitteilen will, mache ich dann doch zunächst erstmal impulsgetrieben so weiter wie bisher. Man könnte sagen, dass das ziemlich limitiert von mir sei. Wahrscheinlich stimmt das sogar, und eventuell sollte ich ein wenig Energie darauf verwenden, die Sprache meines Verstandes wenigstens im Hörverstehen zu erlernen – antworten muss ich ihm ja nicht zwingend. Er ist ja eh ein Besserwisser und würde aufgrund seiner absoluten Überlegenheit nicht auf den Rest von mir hören. Recht hat er! Meine Komplexität wird mein Untergang sein. Insofern mich der Zynismus nicht schon vorher erledigt. Oh my. Note to self: Unter der Woche keine Ausflüge mehr nach Kreuzberg.