Freitag, 5. Juni 2009

Friday Street

Heute Morgen in der Bahn verschlägt es mich in einen dieser Wagons, wo für gewöhnlich diese lästigen Leute mit Ihren Fahrrädern stehen. Offensichtlich ist der Freitag Morgen da keine Ausnahme. Nachdem ich gestern rausfinden musste, dass Goethes Liebesleben entgegen der landläufigen Annahme alles andere als glücklich war (man muss nur mal aufmerksam eine Vielzahl seiner Balladen und Gedichte lesen; man kommt aus dem Weinen nicht mehr raus!), und dieses Wissen dann in Martini ertränkt hatte, kann ich jetzt unmöglich stehen. Also zwänge ich mich auf einen dieser schrecklichen Klappsitze und halte hinter der Sonnenbrille nach schönen Händen Ausschau. Leider werde ich heute nicht fündig, so dass sich mein Geist seiner Natur gemäß auf Reisen begibt. Nachdem ich diese Woche vom Spiegel Titelthema zu sehr an eine Sammlung von Kalendersprüchen erinnert worden war, und den Hamburgern jetzt grolle, verwerfe ich die Idee, mich der Zeitschrift zu widmen. Stattdessen sehe ich mich um. Neben mir sitzt ein junger Mensch und schaut sich seine bewertete Klausur im Fach Bauwesen an. Nachdem ich letzte Nacht literarische im Sturm und Drang und der Klassik zu Gast war, denke ich, kann es nicht schaden ein paar Jahrhunderte zurück zu gehen, und architektonisch in Gotik und Romanik einzutauchen. Dummerweise habe ich schon Probleme, die Handschrift zu entziffern, und komme aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus, als ich sehe, dass dieser junge Mann seine Sätze mit "Eigentlich…" und "Irgendwie…" beginnt. Da hat wohl jemand sein Abitur in Bremen oder Nordrhein Westfalen gemacht? Es wäre zu leicht, darüber zu lachen, außerdem bleibe ich gedanklich bei etwas ganz Anderem hängen, nämlich den mit Rotschrift an den Rand geschriebenen Bemerkungen des Testenden. Gerade als ich darüber nachdenke, wie schön es doch war, als das Leben noch von Rotstiften und Klausurterminen in seinen Bahnen gehalten wurde, schüttet sich eine junge Frau mit Fahrrad während sie am Telefon spricht die Hälfte Ihres Kaffeegetränks ungelenk in den Ärmel. Es wird wirklich nie langweilig in der Ringbahn. Ich hoffe, es war Latte Macchiato, das wäre die gerechte Strafe, sozusagen der Rotstift der Realität! Erstaunlicherweise spricht sie nahezu ungerührt weiter. Neben mir wird währenddessen die Klausur eingepackt, und wir sind auch schon wieder in der Beusselstraße angekommen. Ich hieve mich hoch, und muss feststellen, dass das Kaffee-Mädchen und der Bauwesen-Junge durch etwas ganz Besonderes miteinander verbunden sind: Sie sehen von Vorn ganz anders aus, als man von der Profilansicht her vermutet hätte, und zwar nicht unbedingt besser! Was ich damit sagen will? Das Leben ist wirklich nicht fair! Dummerweise muss ich aussteigen, ehe ich sie verkuppeln kann.

Keine Kommentare: