Dienstag, 9. Juni 2009

Tag 2

Wer ein solch interessantes Leben hat wie ich, dem passieren selbstverständlich nicht nur gute Dinge. Heute Morgen fällt mir der Toast aus der Hand und landet (natürlich) auf der Seite mit dem Pflaumenmus! Gut, dass Julia mir erklärt hat, dass das nichts mit Murphys Law und persönlichem Pech zu tun hat, sondern rein physikalische Gründe dafür verantwortlich sind. Ich nehme es dem Leben also in dem Moment noch nicht übel. Schlimmer wird´s, als ich auf dem Bahnsteig kurz innerlich einschlafe und deswegen keinen Sitzplatz mehr bekomme. Im Gesundbrunnen habe ich einen Moment lang scheinbar Rückenwind, doch dann wird mit der mir zustehende Platz von einem Mädchen streitig gemacht, die ihn für ihren Freund besetzt hält – Pärchen-Look, mich schaudert einen Moment, und ich begebe mich zurück in die Arme von Maximo Park und atme tief durch. Wenig später fällt mein MP3-Player aus, und als ich die S-Bahnstation verlasse, beginnt es zu regnen. Ich eiere die Beusselstraße runter, und suche den Himmel nach seltsamen Wolken ab; vielleicht gibt es ja eine logische Erklärung für all das. Ich kann jedoch keine Wolke mit dem Aussehen des Grimm entdecken. Plötzlich kommt mir das Heil in Form von 2 nicht mehr ganz jungen Frauen entgegen, die mich milde anlächeln. Ich schaue hinter mich – niemand. Oh nein! Meinen die mich? Ich tue geschäftig, und bekomme trotzdem ein kleines Pamphlet in die Hand gedrückt, das ich geschwind an mich nehme, um einem Gespräch aus dem Weg zu gehen. „Biblischer Vortrag und Wachturm-Studium“ steht darauf. Meine Aufmerksamkeit bleibt jedoch nicht beim Text sondern am Cover hängen: „Leben in einer friedlichen neuen Welt“. Man sieht eine idyllische Indian Summer Szene, ein Reh schaut verschmitzt um die Ecke, der Himmel ist blau und die Blätter an den Bäumen sind bunt, im Hintergrund geht ein Pärchen spazieren, riesige weiße Häuser stehen an einem See, dessen Gewässer sicher bis oben hin voll mit glücklichen Fischen sind. Im Vordergrund füttern ein Mädchen und ihre Mutter einen Braunbären mit Heidelbeeren. Ich lächle in mich hinein, alles wird gut, doch dann, Moment mal! Hier stimmt doch etwas nicht! Heißt das etwa, dass wir in der friedlichen neuen Welt in trauter Eintracht mit Raubtieren zusammenleben werden? Heißt das dann zwangsläufig, dass es auch für uns kein Fleisch mehr zu essen geben wird, wenn selbst die Bären auf Heidelbeeren umsteigen? Verehrung für die historische Figur Jesus Christus hin oder her, eine solche neue Welt will ich nicht! Ich bin drauf und dran umzukehren, und die Frauen zur Rede zu stellen, doch dann siegt das Verantwortungsbewusstsein, und ich lege die letzten 100 Meter zu meinem Schreibtisch mit gesenktem Kopf zurück. Wie jetzt? Wer keine eigenen Probleme hat, der denkt sich eben welche aus. Ist doch klar!

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