Montag, 12. Dezember 2011

Naked Lunch vs. Burn-Out

Ich wollte mich noch zu Naked Lunch äußern. Also… das ist gar nicht so einfach. Andererseits ist es dann aber auch wieder relativ egal, was man zum Inhalt sagt, da es fast unmöglich ist, wirklich viel von der Handlung preiszugeben, weil selbige eher nicht zu fassen ist. Wenn man an einem Straßenbahnunfall vorbeikommt (im Kosmos des Öffentlichen Nahverkehrs ist die Straßenbahn ja wahrlich einer der schönsten Sterne!), kann es passieren, dass man hinschauen will und tatsächlich muss, obwohl man vielleicht besser wegschaute. Mit Naked Lunch verhält es sich ganz ähnlich. Es hilft, wenn man eine Ausgabe mit Nachwort liest, welches vorangestellt besser aufgehoben wäre, aber als mündiger Anarchobürger kann man die Reihenfolge auch eigenmächtig umstellen – ich denke Burroughs selbst fände das in Ordnung. Dort erfährt man dann jedenfalls so Einiges über die Entstehung des Buches, was zumindest mich bisher dazu bringt, dabei zu bleiben, obgleich ich kürzlich fast im Wedding hätte aus der S-Bahn steigen müssen, um mich ob der geschilderten Gewaltpornographie zu übergeben, aber das nur nebenbei. Also, wenn Sie mein Urteil hören wollen und über einen starken Magen verfügen: Man kann es ruhig mal lesen, dieses Naked Lunch – wobei "ruhig" da nicht das richtige Wort ist, klar. Denken Sie sich einfach ein anderes aus!

Bücher sind insgesamt eh gerade so ein Thema (siehe neulich), sie häufen sich nämlich überall: auf Tischen, im Regal, in Taschen, auf Fensterbrettern, unterm Bett; manchmal wünsche ich mir eine Grippe oder ein paar Jahre im Sanatorium, um endlich mal in Ruhe das eine oder andere weglesen zu können. Stattdessen machen wir über Kräutertee und Gelächter den Burn-Out-Schnelltest in der Titanic und finden heraus, dass wir noch nicht betroffen sind, jedoch vorsichtig sein und vor allem Widdergeborene meiden müssen. Mit diesem Tipp im Hinterkopf kommen wir nun aber sicher problemlos bis zum Jahresende!

Freitag, 9. Dezember 2011

Cold Turkey.

Kürzlich fiel auf der Arbeit mal das Internet aus. Nach etwa einer halben Stunde beginne ich Cold Turkey von John Lennon zu singen – wenn man plötzlich abgeschnitten ist vom Netz, dann ist das wirklich wie Entzug. Im Grunde schon auch traurig, man ist fast nicht mehr in der Lage, sich ohne Internet zu beschäftigen – vielleicht bleiben auch deswegen viele Bücher (dazu wann anders mehr, da ist was in der Mache) ungelesen? Man ist ständig online ablenkt und hat nicht mal mehr Zeit für die ZEIT, wobei man sich da auch fragen muss, ob es die ZEIT überhaupt zu lesen gilt, aber da gibt es keine Regeln, soviel ich weiß. So ein Glück! Zunächst mal klicke ich also aller paar Minuten, später fast sekündlich, auf das kleine Browsersymbol, um mich dann wie beiläufig und gespielt ausgeglichen bei den Kollegen zu erkundigen, ob denn bei denen das Netz auch nicht geht, man wolle mal den Dollarkurs checken, und es könne ja am eigenen Computer oder so liegen. Ja, also nein, am Endgerät liegt es nicht, das Netz ist in der Tat überall abhanden gekommen. Das ist einerseits erleichternd, heißt es nämlich, dass man nicht irgendwie vorsätzlich wegen Missbrauchs von den Vorgesetzten abgekoppelt wurde, zudem wird im Falle vieler Betroffener die Problemlösung sicherlich zügig vorangetrieben. Andererseits kann es sich damit auch um etwas gravierendes handeln, z.B. ein von Bauarbeitern durchtrenntes Kabel oder dergleichen, und man weiß ja meistens aus erster Hand, dass die Lösung derartiger Angelegenheiten mit der Telekom zu tun hat und folglich oft langwierig sein kann, wenn nicht sogar muss! Meine mit einem Hauch Zynismus dekorierte Verweigerungshaltung Smartphones gegenüber fällt mir nun also doch auf die Füße und kommt mir plötzlich überdenkenswert und vielleicht sogar ein winziges bisschen trotzig-beschränkt vor, wobei lamentieren jetzt ja auch nichts bringt.

Wenn man einen Film oder eine Serie sieht, die Menschen in der Vor-PC-Zeit in Büros zeigt (gibt’s nicht soooo oft, da es sich damit eigentlich um ein äußerst langweiliges Sujet handelt), wo dann keine Computer auf den Tischen stehen, frage ich mich ja immer, was diese Leute eigentlich den ganzen Tag über im Büro gemacht haben – es sei denn, ich sehe Mad Men, wo man schließlich Scotch trinkt, Luckies raucht, die Sekretärinnen verführt und / oder zum Weinen bringt und sich Werbestrategien ausdenkt. Ich hatte ja schon mal berichtet, dass ich mit einer Menge Ingenieure zusammenarbeite, wobei viele von denen auch "irgendwas mit Computern" machen. Dummerweise ist aber ausgerechnet der Informatiker krank, der gemeinhin für den reibungslosen Ablauf der bürospezifischen Tätigkeiten zuständig ist. Erstaunlich, dass man das ganze Büro voller Nerds haben kann, aber keiner von denen in der Lage ist, einfach den Zugang zum WWW wieder herzustellen. Guten Morgen 21. Jahrhundert, das kann doch alles nicht so schwer sein! Es gibt dann eine Reihe aufgeregter Telefongespräche mit dem Anbieter, denn – ganz wie in einer klassenlosen Gesellschaft (man muss auch mal das Gute sehen!) – sind nämlich wirklich alle ohne Netz und das kann so ja nun auch nicht sein. Wer es sich aus Hierarchiegründen leisten kann, geht nach Hause, womit dann auch die klassenlosen 10 Minuten beendet sind. In der Hoffnung auf ein Wunder oder mittlerweile aus einfacher Gewohnheit heraus klicke ich weiter hin und wieder auf das Browsersymbol, was aber natürlich keine Früchte trägt, außer dass mir "503 Service Unavailable" angezeigt wird. Im Herzen nistet sich eine kleine Verzweiflung ein, man könnte ja so viel verpassen! Man wollte sich noch informieren, um was es beim Käthchen von Heilbronn geht und ein paar Flüge sowie Tickets fürs Radiohead-Konzert im nächsten Juli müsste man sich auch noch besorgen – was wenn das Konzert mittlerweile ausverkauft ist, die Flugpreise sich verdoppelt haben? Ganz zu schweigen davon, dass "ordentliches Arbeiten" ohne Internet überhaupt nicht möglich ist! Am Ende des Tages ist der Netzzugang immer noch nicht wieder hergestellt, dafür ist die Frisur vom vielen Haareraufen zerzaust und der Schreibtisch sauber. Dort haben sich derweil aber so viele vergessene Aufgaben wiedergefunden, dass man nur hoffen kann, dass die Telekom es morgen nicht hinbekommt, das Kabel (oder was auch immer) zu reparieren.

Dienstag, 29. November 2011

November.

So, jetzt ist der Monat fast um und ich äußere mich gar nicht mehr, dabei war es der regenärmste November seit Menschengedenken. Das muss man sich mal vorstellen! Auch wenn es so scheinen mag, es mangelt mir nicht an Themen – nein, das nun wirklich nicht! Nur habe ich irgendwie keine Zeit, oder – schlimmer noch – nicht den Hauch von Disziplin! Im Endeffekt ließen sich die meisten alltäglichen Probleme mit etwas mehr Disziplin und vielleicht auch ein wenig Härte gegen sich selbst lösen, aber vielleicht will man das gar nicht. Wie ich jahrelang ohne Deckenlampen ein durchaus schönes Leben hatte, habe ich mich in meinen Macken eingerichtet, kultiviere ich meine Seltsamkeiten, ich werde alt, ergo (nicht die Versicherung, meine Güte!): Es wird immer schlimmer!

Im Herbst wird mir diese ständige Wiederholung aller Dinge immer überdeutlich, vielleicht weil dann wirklich irgendwie alles zu Ende geht. Neulich spazierte ich durch den Tiergarten und hörte dazu Klassikradio (s.o.), es schneite buntes Laub, friedlich grasten die Wombats. Ein Klavierstück von Mozart wurde angekündigt, und zwar in einer Aufnahme des norwegischen Radioorchesters! Das norwegische Radioorchester! Ist das nicht wunderbar? Ich fand es ganz fantastisch und fühlte mich – warum auch immer – irgendwie in die Vergangenheit katapultiert. Nicht, dass ich schon mal in der Vergangenheit, geschweige denn in Norwegen gewesen wäre. Aber so stelle ich mir das vor: Lauter kleine Häuser mit bunten Türen, beleuchteten Fenstern und zugeschneiten Dächern, aus den Schornsteinen windet sich der Rauch in einen grauen Himmel hinauf. Hinter den Häusern fahren Kinder Schlitten, auf den Straßen bewegen sich die Leute mit Skiern fort. Über allem… Mozart! So war das früher in Norwegen!

Ich lese gerade Naked Lunch. Dazu wann anders mehr.

Mittwoch, 2. November 2011

There's a light that never goes out.

Es lebt sich einfach leichter in der Annahme, geliebt zu werden. Die Bodenlosigkeit des Geliebtwerdenwollens… Oh wie dumm! Oh wie edel! Oh wie verständlich! Und tatsächlich: wie absurd! Es reicht uns ja nicht, platonisch geliebt zu werden, wir wollen immer mehr. Es geht dabei auch nicht nur um Sex. Beileibe nicht, alles wäre so viel einfacher, ginge es nur um Sex! Und manchmal zerbrechen wir daran, wenn wir dieses Mehr bekommen und meistens, wenn wir es nicht bekommen, siechen wir eben dahin. Kennen Sie das, wenn Sie aufhören, Sie selbst zu sein, um der Mensch zu sein, von dem Sie denken, der Gegenüber wolle das? Oder wenn Ihnen die Angst, nicht mehr (genug) geliebt zu werden, die Luft nimmt, so dass Sie nur noch ein Schatten Ihrer Selbst sind, den es sich dann einfach sehr viel schwerer liebt, als Ihr eigentliches Ich? Sie wissen schon, richtig?

An Tag 2 des Laufens denke ich, dass ich ein fantastisches Leben führe. Ich sage laut zu einem Menschen, den ich gerade kennengelernt habe, der aber in wenigen Stunden mehr über mich erfahren hat, als manch Anderer in Jahren, dass ich eigentlich abbrechen könnte, ich wisse ja nun, dass im Grunde alles wunderbar ist. Aber natürlich gehe ich weiter. Es sind insgesamt 230 Kilometer. Jeden Tag geht es aufs Neue nur darum, anzukommen, zu essen, zu trinken, zu schlafen, zu duschen und zu konversieren. Das ist schaffbar, noch dazu macht es Spaß – na gut, vielleicht nicht jedermanns Sache, aber mir tut es mal gut, Reizüberflutung gegen körperliche Betätigung einzutauschen. Ich könnte ein Loblied auf die Pilgerei singen, und wenn ich das jetzt hier nicht tue, dann liegt es nur daran, dass alles bereits gesagt worden ist, teilweise sehr amüsant von Hape Kerkeling. Was ich noch einmal festhalten will ist, dass es keine Abkürzung gibt, nicht alle Ziele sind gleich, deswegen sind es auch nicht alle Wege, ist ja klar! All diese einfachen Wahrheiten liegen zuhauf neben den gelben Pfeilen, die Richtung Santiago weisen. Ich könnte einen Monatslohn ins Phrasenschwein werfen, würde ich alle Weisheiten des Weges zitieren wollen, unterm Strich bleibt: Man wechselt die Perspektive und Vieles erscheint endlich so gut, wie es tatsächlich ist.

Erstaunlicherweise hält diese Erkenntnis nun schon einen Monat lang an. Ich befürchte, dass die Blase irgendwann platzt, manchmal treffe ich die alte Angst beim Rauchen auf dem Balkon, aber ich lasse sie meistens nicht mehr in die Wohnung. Wenn ich jetzt wirklich den Knopf zum Kopfkino gefunden habe, verdiene ich mich noch dumm und dämlich! Dann geb ich einen aus, versprochen!

Freitag, 7. Oktober 2011

Porto!

Ich wollte immer einer dieser Menschen sein, die sich einfach mal so allein in ein Café setzen und Zeitunglesen. Bis dato scheiterte ich da oft genug an mir selbst. Da mag man sagen "Was soll denn daran jetzt so besonders sein, da ist doch nun wirklich nichts dabei." Sicherlich nicht, aber Sie leben ja auch nicht in meinem Körper und mit dieser komischen Seele. In Portugal werde ich jedoch überraschend plötzlich zu einem eben dieser Menschen. Vielleicht liegt das an dem ausgezeichneten Kaffee, den sie dort ausschenken? Ich lande am 12.09. morgens im wundervollen Porto, wo mir das Alleinsein plötzlich erstaunlich leichtfällt. Tatsächlich bin ich sehr zufrieden, denn so beschwert sich wenigstens niemand darüber, dass ich auch noch die Kirche sehen, den Berg hochlaufen, um die Ecke rumschauen, hier stehenbleiben, da rumsitzen und ganz generell alles erlaufen und nicht die Öffentlichen nehmen will. Zwei ganze Tage lang gehe ich also umher, schaue mir alles Mögliche an, radebreche Portugiesisch, staune darüber, wie blau der Rio Douro ist, esse Dinge, von denen ich im Portugiesischunterricht gehört hatte, schlafe tief und traumlos und stelle wieder fest, dass da irgendetwas ist zwischen Portugal und mir. Da ich eh gerade dabei bin, die Person zu werden, die ich gern sein will, gehe ich am 13.09. ins Estadio do Dragão und schaue mir das Champions League Spiel des FC Porto gegen Shakhtar Donetsk an. Am 14.09. begebe ich mich dann frühmorgens auf den Caminho Português und da Jördis mir vor der Abreise gesagt hatte, dass ich doch eigentlich fast immer machen könne, was ich wolle, trickse ich und nehme zur Überbrückung der ersten Etappe die Bahn.

Dienstag, 4. Oktober 2011

Weißes Papier.

Kennen Sie das, wenn Sie plötzlich weißes Papier sind? Ich verreise gänzlich allein. Das habe ich noch nie getan, und ich bin schrecklich aufgeregt. Es geht mir nicht um so etwas wie Erleuchtung oder Selbstfindung bei diesem Ausflug, obgleich man das unter Beachtung des (Zwischen-)Ziels (Santiago de Compostela) natürlich denken könnte, aber nein. Eher geht es mir um Selbstverlierung. Ferien vom ich. Mal ausschalten, auch gerade und besonders das Kopfkino. Zunächst einmal bin ich kurz auf mich gestellt in Madrid, meiner ersten großen Liebe. Da ich nie wirklich allein dort war und zur Überdramatisierung neige, sitze ich an Tag 1 vor dem Palast und frage mich, wie man auf Dauer mit dieser schrecklichen Einsamkeit klarkommen soll. "Auf Dauer", "schreckliche Einsamkeit" – aufgemerkt! Dass ich nicht lache – was ich später noch ausführlich tun werde, besonders, als ich ganz wundervolle Freunde treffe und der Madrider Abendhimmel wieder einmal wie von Goya höchstselbst gemalt aussieht. Zunächst einmal denke ich aber, dass wir – meine große Liebe und ich also – dass wir uns auseinandergelebt haben und bin unsicher, wie ich auf diese Schnapsidee des Alleinereisens überhaupt gekommen bin. Schnapsidee, natürlich! An Tag 2 werde ich auf spektakuläre Art und Weise fast um den reiserelevanten Teil meines Hab und Guts gebracht, um dann – noch spektakulärer – gerettet zu werden. Natürlich ist man mittlerweile zu zynisch, um tatsächlich an so etwas wie kleine Wunder zu glauben, aber ein winziges stückweit gewinne ich in diesem Moment so etwas wie das Vertrauen ins Leben zurück – auch wenn es nur flüchtig ist, aber einen Augenblick lang ist da so etwas wie eine Gewissheit, dass alles gut wird, und sei es nur für die Dauer des Ausnahmezustandes dieser Reise.

An Tag 3 geht der Flieger nach Porto.

(Fortsetzung folgt.)

Dienstag, 30. August 2011

A Little Soul.

And when you’re no longer searching for beauty or love
Just some kind of life with the edges taken off
When you can’t even define what it is that you’re frightened of
This song will be here…

Ich höre zur Zeit fast immer Pulp, mit spezieller Vorliebe das This Is Hardcore Album. Man darf mich gern altmodisch, überholt oder zukunftsverneinend nennen. Den Hipster-Zug habe ich noch nicht mal von weitem gesehen, es gab demnach auch nie die Möglichkeit, aus Versehen auf ihn aufzuspringen. Wahrscheinlich hätte ich auch gar keine Fahrkarte lösen können. This Is Hardcore ist ein herrlich theatralisches und schweres Album, zu dem man sich gern mal auf dem Boden herumwälzen kann, die Fäuste gen Himmel gestreckt oder eine Zahnbürste im Mund. Kennen Sie das, wenn Sie sich wünschen, die Zigarette, die Sie gerade rauchen, würde niemals zu Ende gehen? Das kann einem entlang der 12 Titel schnell mal passieren, abgesehen davon natürlich, dass es sich so schlecht auf dem Boden herumwälzt mit einer Kippe im Mund.

Kennen Sie das, wenn Sie das Gefühl haben, Sie sehen sich von Außen bei Ihren Handlungen zu, quasi als unbeteiligter Dritter, als Mäuschen, wenn man so will, und es drängt sich Ihnen die Frage "Was, zur Hölle, mache ich eigentlich hier?!" auf? Herrje, es wird wirklich Zeit, zu verreisen.

Mittwoch, 10. August 2011

Kapuzenwetter... strikes again

Ich habe eine ganz eigene Theorie dazu, warum dieser August so herbstlich daherkommt (und ja, unter Umständen neige ich in Ansätzen zu einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung): Ich werde ab Mitte September für 3 Wochen verreist sein. Das habe ich, seitdem ich arbeite, noch NIE gemacht und ich bin jetzt schon ganz aufgeregt. Es ist jedoch hinlänglich bekannt, dass ich eine große Liebhaberin des Kapuzenwetters bin und deswegen wird selbiges dieses Jahr – zack – ganz einfach vorgezogen. Ich entschuldige mich hiermit förmlich bei allen Betroffenen! Aber seien Sie unbesorgt, ich wurde durchaus auch schon bestraft: Von Freitagnacht bis gestern Abend streckte mich nämlich ein fürchterliches Rückenleiden nieder. Dann, während meines vorsichtig-joggenden Ausflugs mit Kapuze in den Treptower Park, als ich mich erstmals seit eine gefühlten Ewigkeit wieder halbwegs normal bewegen konnte, musste ich wieder daran denken, dass eines der schönsten Gefühle auf der ganzen Welt überhaupt ist, wenn der Schmerz nachlässt. Seitdem bin ich unglaublich entspannt und ZEN und lächle ohne erkennbaren Grund. Ich gebe mir… naja… sagen wir mal… noch bis morgen Vormittag, denn spätestens dann wird mich wieder irgendetwas fürchterlich nerven. Warum ist das so? Warum ist man nur nach überstandener Gefahr in der Lage, grundlos zufrieden zu sein? Laut Heidie sagte Herbert Feuerstein mal, dass wir uns eben an unser Glück gewöhnen (für mich wird das aber immer eins IHRER Zitate sein. Punkt. Aus.). Und so ist es! Wann ist man denn eigentlich mal ganz ohne Pulp und ohne Gin und ohne Eiscreme und ohne Blumen und ohne Hamburger und ohne 3-0 gegen Paderborn und ohne Renate und ohne Kuss auf die Stirn und ohne haltlosem Gelächter und ohne Senfsoße mit Ei und ohne Meer und ohne Sonnenuntergang… ich meine, ohne all das Zeug, ja wann ist man eigentlich einfach mal nur so glücklich? Schauen Sie raus! Fehlt Ihnen ganz konkret irgendetwas? Nein? Dann seien Sie doch mal einen Moment lang zufrieden! Sollte das nicht gehen, bekommt wer lieb ist ab demnächst wieder Kastanien geschenkt.

Dienstag, 2. August 2011

You can't see tomorrow with yesterday's eyes.

Allseits bekannt und beliebt mein Hang zum Rückblick. Vor drei Jahren war ich zutiefst deprimiert, und dem Dramenaufbau folgend, befanden wir uns kurz vor der Katastrophe, welche sich später als eine Art Lysis herausstellen sollte. Vor zwei Jahren hatte ich gerade durchaus engagiert aber dennoch vergeblich versucht, erwachsen zu werden (wenn ich mich recht entsinne, kam mir Chuck von Gossip Girl dazwischen). Vor einem Jahr legte ich mir eine Gitarre zu, auf der ich immer noch nicht mehr als drei Akkorde spielen kann. Und jetzt? Jetzt höre ich mal wieder verstärkt Ryan Adams und lese Douglas Coupland, Eleanor Rigby namentlich. Zwischenzeitlich fragte ich mich schon verwundert, ob dem Ostberliner Trinkwasser vielleicht seit neuestem Valium beigemischt wird, die Inkonsequenz allerorten regt mich nämlich nicht mehr richtig auf. Vielleicht hat Coupland die Lösung: "Once you're past thirty you lose that ability; instead of feeling sorry for yourself you turn bitter.". Hoffentlich nicht! Andererseits… Gin Tonic? Anyone?

Sonntag, 31. Juli 2011

Nostalgie.

Sommer auf dem Land riecht immer noch so, wie damals als ich ein Kind war. Ich fahre am Mittwochabend ins schöne Thüringen und bin bis Leipzig kurzweiligst abgelenkt, da ich eine Freundin aus der Schul- und mittlerweile (glücklichwerweise) Lebenszeit an Bord habe. Dann sind es noch etwa 40 Minuten bis zu dem Ort, den ich immer noch "zu Hause..." oder wahlweise "zu Hause... erm... bei meinen Eltern." nenne. Die Sonne geht farbenprächtig unter und man könnte die Straßen blind fahren, kennt jeden Stein, jeden Baum, jede Kurve, all die Plätze, an denen Dinge passierten. Ich höre Arcade Fire, strecke mich und seufze kurz. Wenn man sagt, die eigene Sozialisierung habe größtenteils im Pop stattgefunden, dann ist das Ziehen zwischen Herz und Magen, das ich manchmal verspüre und hier mal "Nostalgie" nenne, kein wirklich unangenehmes Gefühl, ganz im Gegenteil. Tatsächlich ist es nämlich eher positiv als negativ besetzt. In letzter Zeit bin ich in gewissem Sinne krank vor Nostalgie, wobei ich selbst nicht richtig weiß, warum.

Sommer auf dem Land bedeutet immer noch: Barfuß laufen, Wegrandsträuße pflücken, durch Pfützen waten, auf der Vorbautreppe Eiscreme essen, Mähdrescher überholen, auf Strohballen steigen, den Heuschnupfen ignorieren, Springkraut hüpfen lassen, durch den Garten streifen und - die Sonne im Rücken - unterm Pflaumenbaum Bücher lesen.

Am Freitagmorgen steigen wir in Jena Paradies in einen ICE nach München. Wir kennen uns eigentlich schon immer und werden nun etwas nachholen, was wir vor etwa 18 Jahren hätten tun wollen. Es wird ein ausgesprochen heiterer Ausflug in bester Gesellschaft. Um 19:30 spielen die wunderbaren Pet Shop Boys als Vorband von Take That (bitte unter "Absurditäten des Pop-Zirkus" verbuchen!) ein kurzes Set im Olympiastadion. Als ich (noch) jünger war, und bevor ich einen realtiv wasserdichten Musikgeschmack entwickelte, waren Take That meine Lieblingsband. In Wahrheit kann man wohl sagen, dass ich bis etwa 21 in Robbie Williams verliebt war. Jedenfalls ist es zunächst ein wenig wie auf dem Traumschiff: Feuerwerk, Tänzer, Bühnenshow. Die Band spielt neue Lieder, die ich alle nicht kenne und mir wohl auch privat nicht anhören würde, aber immerhin ist aus diesem Howard ein erstaunlich attraktiver Mann geworden. Dann Roooooobbiiiiieeeee, seines Zeichens vorbildliche Rampensau - das Stadion rastet aus, wobei er und die Band sich im Grunde gegenseitig einen Gefallen tun mit dieser Tour, denn seine letzten beiden Alben waren schlecht und er würde kein Stadion auf eigene Faust füllen und insgesamt verkauft man wohl als Take That-Vollbesetzung einfach mehr Tickets. Im letzten Teil der Show spielt man dann die alten Hits von Back For Good über Pray bis Relight My Fire und kurz muss ich doch schlucken, denn dann steht man dort, 15-20 Jahre später und fragt sich, wo die Zeit hin ist. Immerhin fragt man sich nicht "Where did it all go wrong" und unterm Strich bin ich froh, dass wir zwar unter Umständen nicht jünger sind, als der Großteil des Publikums, aber immerhin so aussehen, als wären wir es.

Zurück im hier und jetzt erklärt mir meine Nichte eine Welt, die wir beide nicht verstehen und ich packe meine Tasche, um zurück nach Berlin zu fahren. München, so schön es auch sein mag, hat mir bewusst werden lassen, WIE sehr ich Berlin mag und zusammenfassend ist es mit der Nostalgie wohl so, wie wenn man von Weitem eine Sommerwiese betrachtet - sieht aus wie ein Blumenbeet. Ist es aber nicht. Alles ist gut.

Montag, 25. Juli 2011

Stellen Sie sich das mal vor...

...ich habe mir meine 12. Identität zugelegt! Seit einer ganzen Weile kokettiere ich mit dem Gedanken, mir einen Anker aufs Handgelenk tätowieren zu lassen, aber das passt nicht zu Sally Cinnamon, oder? Deswegen gibt es Frau B., an der ich immer mehr Gefallen finde. Vergangene Woche war ich nicht hier, aber da: http://www.spreeblick.com/2011/07/21/timing-common-people/

KW30. Mal sehen, was die uns bringt... Ahoi!

Mittwoch, 13. Juli 2011

Anmerkung:

Und es wird tatsächlich höchste Zeit, dass wir vom PC wegkommen und ins Trainingslager fahren. Wenn man nämlich - wie gerade geschehen - in diesem sogenannten "richtige Leben" nach dem Zurückpfeil sucht, verbringt man ganz eindeutig zu viel Zeit vor dem Computer. In diesem Sinne @.@

Dienstag, 12. Juli 2011

Mailand oder Madrid - Hauptsache Italien!

Wäre das Jahr eine Fußballsaison, so hätten wir die Hinrunde hiermit schon mehr als hinter uns gebracht. "Wo ist nur die Zeit hin?" – möchte man fragen und zustimmend nicken, wenn es dann heißt: Im Alter vergeht alles schneller, die Jahre fliegen geradezu an uns vorbei. Immer weniger Neuerlebtes kommt hinzu und im Hamsterrad gleicht eine Woche der anderen, nur unterbrochen vom Sinngebungszwang an Wochenenden und Feiertagen, wenn man kurz vergisst (oder sich daran erinnert?), wer man ist und aufhört zu fragen, was das alles soll. Wäre das Jahr eine Fußballsaison würden wir sagen, dass sich die 2011er nun gerade nicht durch ihre unbeschwerte Leichtigkeit auszeichnet. Da hat man sich hier was gezerrt und ist da gestolpert, und im Alter (da ist es wieder!) heilt sowas ja auch alles schlechter! Ich wiederhole mich? Natürlich! Auch das eine Frage des… na raten Sie mal! Wäre das Jahr eine Fußballsaison, so hätten wir nun die Rückrunde vor uns und stehen an diesem etwas unangenehmen Punkt (etwa Platz 8), an dem noch fast alles möglich ist, was aber auch bedeutet, dass genauso gut nichts möglich ist, will heißen, von Abstieg über Zitterpartie zu solidem Mittelfeld bis zu den Champions League-Plätzen ist noch alles drin. Zum Rückrundenauftakt fahren wir jetzt erst mal nach Ferropolis und hoffen auf ein gutes Turnier, bei dem wir durch interessante Umstände in eine bessere Startposition katapultiert worden sind, als wir erwartet hatten, aber auch hier gilt, das Spiel dauert 90 Minuten, wichtig ist auf dem Platz und wollte ich eine Prognose wagen, müsste ich sagen, es kann so oder so ausgehen. Wie dem auch sei, auch im Fußball ist ja alles eine Frage der Wahrnehmung. Als es vergangene Saison für Union mal etwas düsterer aussah, hörte ich im Sektor 2 den Satz "Ach, wenn wir absteigen, können wir dann kommende Saison eben wieder aufsteigen, das ist doch auch schön." Olé, so sieht die richtige Einstellung aus und vielleicht heißt es dann schon kommende Woche: "Zwei Chancen, ein Tor - das nenne ich hundertprozentige Chancenauswertung."

Mittwoch, 6. Juli 2011

Do you remember the first time?

Kennen Sie das, wenn ein Traum wahr wird? Kennen Sie dass, wenn man jahrelang auf ein Ereignis wartet, und wenn es dann tatsächlich eintritt, ist es noch besser, als erhofft? Kennen Sie dass, wenn Sie einen Moment lang nicht wissen, ob Sie vor lauter Glück lachen oder weinen sollen, und dann kommt dabei so ein Mittelding raus? Kennen Sie dass, wenn Sie ganz laut rufen wollen "freeze", um dieses Glück dann festzuhalten, wohlwissend, dass das nicht möglich ist, wohlwissend, dass das große Glück immer nur einen kurzen Augenblick lang dauern darf, und zwar den Augenblick, wenn einem erlaubt wird, die Sterne anzufassen. Kennen Sie das, wenn Sie denken, Sie würden unter Umständen gleich platzen vor Freude und alles was übrigbliebe, wäre Konfetti?

Am Sonntagabend sehen wir die einzigartigen, wunderbaren PULP beim Wireless Festival im Londoner Hyde Park. Der gesamte Tag zeichnet sich durch seine Großartigkeit aus, alles passt bestens zusammen: Gesellschaft – hervorragend! Wetter – ideal! Location – einwandfrei! Rahmenprogramm – unglaublich. Durch einen See aus güldenem Cider waten wir dem Hauptereignis entgegen, warten wir lachend auf 20:45, stehen wir auf, setzen uns dann, essen alles durcheinander, tätowieren uns mit schwarzen Kulis Anker auf die Handgelenke und merken, wie die Wellen der Nervosität in immer kürzeren Abständen über uns hereinbrechen, wie ein Kribbeln die Beine hinaufklettert und sich durch den ganzen Körper vorarbeitet, bis man ganz und gar eingenommen ist von kunterbunter Emotionalität! Und dann ist es so weit, und dort vorn auf der Bühne steht tatsächlich plötzlich dieser unfassbare Jarvis Cocker und er eröffnet das Set seiner wunderbaren Band auch noch mit dem ehemaligen Lieblingslied: "Do you remember the first time?" Und man vergisst kurz, dass man ja auch atmen muss und ist froh, nicht zusammenzubrechen, sondern im Anschluss etwa 100 Minuten kompletter PERFEKTION erleben zu dürfen.

Und dann wird man in die Sonntagnacht hinausgespült und strahlt und spürt irgendwann, wie die Erschöpfung durch den Körper kriecht. Und dann niest man sich in die Hand – Konfetti. Ich hoffe wirklich, Sie kennen das.

Donnerstag, 23. Juni 2011

Nothing is static, everything is evolving, everything is falling apart.

Gestern Abend zwischen Starkregen und Thunfisch las ich in Madame Bovary Folgendes: "Aber ist es nicht oft so, dass ein übervolles Herz mit den banalsten Worten nach Ausdruck sucht? Und vermag denn jemand genau zu sagen, wie groß sein Wünschen und Wollen, seine Innenwelt, seine Schmerzen sind? Des Menschen Wort ist wie eine gesprungene Pauke, auf der wir eine Melodie heraustrommeln, nach der kaum ein Bär tanzt, während wir die Sterne bewegen möchten." Das fand ich sehr treffend. Schon als Kind saß ich manchmal vor einem weißen Blatt Papier und hatte das dringende Bedürfnis, etwas aufzuschreiben, aber meistens fiel mir nicht ein, was das sein könnte, wenn es nicht der Name eines Jungen (des Aktuellen) oder einer Band sein sollte, was wiederrum keinerlei Befriedigung und im schlimmsten Fall noch den Spott meines älteren Bruders nach sich zog. Heute ist das nicht viel anders, nur der Musikgeschmack ist besser. Man ist gefangen in der gegebenen Terminologie und verläuft sich in dem eigentlich doch recht überschaubaren Labyrinth, welches das eigene Sein scheinbar ausmacht. Das Problem ist, dass man vielleicht nur bedingt fühlen und unter Umständen gar nicht denken kann, was man nicht auszudrücken weiß. Da steht man ziemlich schnell vor dem Problem, dass jeder komplexere Gedanke einem Totschlagargument gleichkommt, dem man nicht viel entgegenzusetzen hat.

Dieses 2011 ist ganz generell nicht das leichteste Jahr bisher und hat sich ein wenig "wie die Zicke am Strick" (wie man auf dem Land sagen würde). Nichts läuft so richtig rund, abgesehen natürlich von den Dingen, bei denen es sich um eingefahrene Mechanismen und Muster handelt, die man im Grunde ablegen sollte und vielleicht sogar wollte. Zu allem (scheinbaren) Übel begab es sich dann auch noch, dass man mich zum kritischen Nachdenken und Hinterfragen zwang. Das ist nicht unbedingt bequem, sondern sogar ungemein ermüdend, erweist sich aber nun langsam als der rettende Strohhalm in diesem Meer aus aneinandergereihten Belanglosigkeiten. Dummerweise zeigt es mir jedoch auch meinen eigenen Dilettantismus auf und im Zuge dessen gelange ich doch recht schnell an die Grenzen meines Wissens und meines Ausdrucksvermögens, was der erwähnten Unbequemlichkeit noch einen draufsetzt. Aber unter Umständen ist das ganz normal, und wenn das jetzt seinen Gang geht (denn zurück gibt es nicht mehr), dann kommt man vielleicht irgendwann auf der nächsten Sprosse des Wissens an, denn auf einer gewissen Stufe der Reife angelangt, wird die bestimmte, dagewesene Form gemeinhin abgestreift und macht einer höheren Platz. Zumindest bleibt das zu hoffen.

Freitag, 17. Juni 2011

Endstation Sehnsucht

Es ist also wieder Donnerstag. Es ist wieder ein bisschen spät. Es ist auch wieder ein wenig Gin Tonic. Man steht wieder im Monarch und schaut raus auf die Skalitzer Straße und diese sogenannte U-Bahn und man macht sich auch wieder so seine Gedanken, die einander leicht unsortiert aber trotzdem auch irgendwie in Staffellaufmanier abwechseln, ohne dass man sie je so richtig festhalten könnte. Es beginnt zu regnen, man wünscht sich in sein Bett, nie schläft es sich besser ein, als in den Momenten, wenn das Prasseln des Regens die Gedanken einlullt. Neulich, als man Dagmar Manzel die Blanche DuBois nicht so richtig abkaufen konnte, hörte sich der Applaus im Anschluss auch irgendwie an wie Regentropfen auf Asphalt. Da unten laufen sie also rum, diese Menschen, wie Ameisen, die wenigsten werden schneller, um nicht nass zu werden, im Grunde sind wohl alle froh, dass die Frühsommerschwüle von einem kurzen Guss unterbrochen wird. Und ich schaue sie an, und denke wieder an die chronisch gebrochenen Herzen, die ich hier oben stehend vor ein paar Monaten diagnostizierte, und denke, dass die Diagnose weiterhin stimmt (deswegen ja auch "chronisch"), aber dass wir doch alle irgendwie klarkommen. Vielleicht ist Frau Manzel so gesehen eine moderne Blanche, pragmatischer, zupackender, nicht ganz so wahnsinnig und verloren. Kommen wir wirklich klar? Oder ist das Fake?

Ich danke der Academy!

Freitag, 10. Juni 2011

Reisen macht den Kopf frei.

Herrje, diese eeeeeewige Woche will nun doch endlich auch mal zu Ende gehen! Wahrscheinlich liegt es daran, dass die vergangene Arbeitswoche nur 3 Tage hatte und einem eine ganz normale mit 5 an der Zahl dann direkt wie ein Marathon vorkommen muss, und man sich irgendwann gegen Ende fühlt wie ein von Termiten ausgehöhlter Baumstamm – also ich jetzt (denn wie wir wissen, geht es hier immer nur um mich Mich MICH!). 4 Tage frei also, wovon wir einen dazu nutzten, einen Kurzausflug in den Spreewald zu unternehmen. Der Unterspreewald ist von Berlin aus in einer guten Stunde mit dem Auto bequem zu erreichen. Aber tatsächlich ist Zeit ja relativ, denn auf einmal befindet man sich – schwupp – in einer ganz anderen Zeit, deren Alleinstellungsmerkmal ist, dass sie sehr viel langsamer daherkommt. In den Sommern 1986 – 1988 fuhr ich mit Eltern und Brüdern immer 2 Wochen in den Sommerferien in den Spreewald. Seitdem bin ich aber nie wieder zurückgekehrt, was im Grunde erstaunlich ist, denn wir sprechen alle immer wieder in goldenen Rückblicken von jenen Sommern (an den Pilzsommer 1986 werden wir uns eines Tages vielleicht mit einem etwas bittererem Beigeschmack zurückerinnern). Dementsprechend aufgeregt bin ich, als wir an den Neuendorfer See kommen, es ist, als würde ich die Kinderliebe (die ich nie hatte *schnüff*) wiedertreffen. Unsere Urlaube verbrachten wir immer in einem Bungalow im kleinen Örtchen Alt-Schadow. Ich bemühe mich angestrengt um Erinnerungsfetzen, und ja: der Geruch nach Nadelwald und See, die sandigen Böden, die Brücke über den Fluss, die kleinen Boote, die Farben, der braune Holzzaun, irgendwo dort unter den Bäumen der Bungalow… das kommt hin! Wie viel ist tatsächlich Erinnerung, wie viel Einbildung? Nun, im Grunde ist das eigentlich auch egal. Beim anschließenden Ausflug mit dem Stakboot lassen wir uns die Sonne auf den Rücken scheinen, während unsere Füße im Wasser baumeln und sind uns sicher, dass sich J.K. Rowling von der Blauflügel-Prachtlibelle inspirieren ließ, als sie Quidditch erfand. Dann müssen noch ein paar Gurken gegessen werden und 1 Stunde später sind wir zurück in Berlin. 1 Stunde und 15 Jahre später, denn dort ist immer noch 2011.

Mittwoch, 1. Juni 2011

Planespotting.

Noch kann man vom Bauhaus-Balkon aus beobachten, wie die Flugzeuge von und nach Tegel kommen. Derzeit ist das besonders schön, weil sie oft genug in den Sonnenuntergang hinein oder aus ihm heraus fliegen. Aufgrund meines reinen Gewissens schlafe ich ja ausgezeichnet, so dass mich der möglicherweise begleitende Lärm auch gar nicht stört und in jedem Fall sind die Vögel, welche die Wohnstadt bevölkern, sowieso viel lauter. Neulich saßen wir zum Abendessen auf dem Balkon und gingen unserem Hobby – dem Sonnenuntergangs-Planespotting – nach, was an und für sich schon idyllisch genug war und als Ausbruch des kleinen Glücks gewertet werden kann, als es noch besser kam: Am Horizont türmten sich die Wolken dergestalt, dass man sich mit einem winzigen Bisschen Fantasie ausmalen konnte, nordwestlich von Berlin gäbe es ein Gebirge, das man bei guten Witterungsbedingungen sehen kann. Das löste folgendes aus: Einerseits erinnerte es mich an meine Zeit in Madrid, wo man manchmal im Winter tatsächlich von der Castellana aus die schneebedeckten Gipfel der Sierra de Madrid sehen kann. Und andererseits entdeckte ich unter dem ganzen urbanen Schutt der letzten Zeit eine seufzende Sehnsucht nach den Pyrenäen wieder.

Am Sonntag sahen wir in der Schaubühne das Stück "Soll mir doch lieber Goya den Schlaf rauben als irgendein Arschloch" mit dem wundervollen Lars Eidinger in der Hauptrolle. Im Anschluss kaufte ich mir ein Poster mit dem Satz: "Man muss etwas tun!", welcher dem Stück entlehnt ist und hängte es im blauen Schlafzimmer an die Wand. Seitdem denke ich jeden Morgen, dass ich vielleicht einfach meine gesamten Ersparnisse abheben sollte, dann mit dem TXL nach Tegel fahre, nach Madrid fliege, nicht in den Prado einbreche, sondern einen Zug nach Zaragoza nehme, dort umsteige in den nach Canfranc und schließlich ein paar Wochen durch den Parque Nacional de Ordesa streife. Ich meine, Camino macht doch heutzutage jeder, aber die Pyrenäen, die kennt hier kein Mensch und sind ihres Zeichens auch noch sehr viel unberührter als die Alpen. Falls man nun also eine Weile nichts von mir hört… wisst Ihr jedenfalls Bescheid!

Dienstag, 24. Mai 2011

You're not happy but you're funny.

Ich habe ja im Leben noch kein Selbsthilfebuch gekauft (Kochbücher zählen natürlich nicht) und werde das auch jetzt nicht tun, weil ich das in etwa so angebracht und passend für mich fände, wie ins Fitnessstudio zu gehen, aber dieser Artikel bei ZEIT Online http://www.zeit.de/karriere/beruf/2011-05/leistungszwang-ratgeber brachte mich zu einem Gedanken zurück, der augenblicklich immer akuter zu werden scheint: Overload! Es scheint mir unmöglich, alles unter einen Hut zu bringen, wobei man sich natürlich erstmal fragen muss, was dieses "alles" überhaupt ist. Obwohl, nein, da haben wir Glück, das nimmt uns der Artikel ab, wir können nachlesen: Erfolg im Job und Erfüllung im Privatleben, außerdem geht es da noch um die Hamsterradverschwörung (zumindest DAS habe ich IMMER gewusst) und einen sogenannten Sinnstiftungszwang. Es ist erschreckend. Ich füge hinzu, dass man sich zu allem Überfluss auch noch gesund ernähren, Sport treiben, und in jedem Fall etwas für seine Bildung und wenn möglich auch noch für sein Aussehen tun sollte! Ich frage mich dann immer, wie das "die Anderen" eigentlich machen, ob die nur besser faken, gar nicht schlafen, oder einfach vorbildlichere Bürger sind als ich. Was Menschen wie mir da bleibt, ist wegkürzen. Überflüssiges raus! Wenn es nach mir ginge, gäbe es eine Revolution in deren Anschluss wir alle – oder zumindest die, die das wollen – nur noch 3 Tage jede Woche arbeiten gehen müssten, ohne dabei dem Gespenst drohender Verelendung ins Gesicht blicken zu müssen. Damit würde man wackligem Halbwissen, Gewichtszunahme und Spliss (zumindest in meinem ganz persönlichen Fall) entgegenwirken können.

Bis dahin: Hamsterradverschwörung und Sinnstiftungszwang. Und dann soll man nicht trinken!

Dienstag, 10. Mai 2011

Fußballmetaphern.

Die Saison ist fast rum, Union hält die Klasse, Real holt einen eher belanglosen Titel und wenn man nicht für etwas sein kann, dann doch immer noch dagegen. Ich lese ein wenig Chuck Palahniuk, und dann gibt es ja immer eine Fußballmetapher für jeden Moment. Derzeit? Andreas Brehme: "Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß." Darin ruht ja auch unterschwellig irgendwie die Hoffnung, dass es mal wieder besser wird, oder wie es mein Vater fernmündlich treffendst auf den Punkt brachte: "Kannste ja abwaschen." Ich weiß nur nicht wie. Derzeit läuft alles suboptimal. Selbstverschuldet, natürlich, aber das ändert ja auch nicht viel an den Tatsachen. Unter den Provisorien meines Lebens konkurrieren um den ersten Platz auf der Hassliste: Job und generelle Unzulänglichkeit im emotionalen Sektor. Dabei hat sich eine ziemlich erschöpfende kombinierte Boreout-Burnout-Situation ergeben. Theoretisch kenne ich den Ausweg, praktisch stürzt es mich in ein Dilemma, wenn ich feststelle, dass ich mir die Fingernägel schneiden muss – "auch das noch!" – sage ich dann, und möchte mich am liebsten eine Woche ins Bett legen. Oder auf meinem Balkon wohnen, der, nun da er bepflanzt ist, das Zentrum meiner biedermeierschen Existenz darstellen kann. Rechte Winkel, Plastikmöbel, Kräuter, Blumen, eine neue Picknickdecke, der Ausblick auf den Sonnenuntergang, Grillfleisch und Lachs in Bananenblättern aus der Frischetheke beim neuen Kaisers. Nicht alles ist schlecht. Natürlich nicht!

Was macht Andreas Brehme eigentlich aktuell?

Donnerstag, 28. April 2011

Der Rest ist Schweigen.

Ich glaube, ich muss etwa 8 Jahre alt gewesen sein, als ich das erste Mal den Satz: "Bei ihm (oder ihr) wird der Knoten schon noch platzen." hörte. Sicherlich ging es um irgendein nicht ganz dummes, aber vielleicht faules oder etwas schwerfälliges Kind und der Knoten sollte beim Rechnen oder Lesen platzen. Bis heute habe ich den Satz in unterschiedlichen Zusammenhängen… na… bestimmt 250 mal gehört, meine Mutter denkt ihn vielleicht manchmal still vor sich hin, wenn sie mich betrachtet, und ich will sie ja auch nicht enttäuschen. Nein, das nun wirklich nicht! Seit der 3. Klasse etwa warte ich also darauf, dass der Knoten auch endlich bei mir mal platzt. Es sorgt mich in dem Zusammenhang ein wenig, dass ich bis zur 10. Klasse in Mathematik eher mittelmäßig war und dann im Abitur plötzlich immer so um die 13-14 Punkte abräumte, kann also sein, dass mein ganz persönlicher Knoten bereits geplatzt ist. Hoffentlich nicht! Denn wenn dem tatsächlich so war, ging das leider fast unbemerkt an mir vorüber und hat auch keine tiefgreifende Bedeutung für mich gehabt, in jedem Fall nehme ich nämlich immer noch die Finger zu Hilfe, wenn ich Kopfrechnen muss.

Wie dem auch sei. Mittlerweile gehe ich fast öfter ins Theater, als in irgendein Konzert. Ich befürchte, ich befinde mich in einer Art third-life-crisis, in deren Zuge ich nun doch erwachsen werden muss. Oder sowas. Unter Umständen ist es recht kurzsichtig von mir, zu hoffen, der Knoten möge doch nun endlich platzen. Vielleicht handelt es sich gar nicht um einen erhebenden Moment, wenn das passiert? Was würde wohl Hamlet dazu sagen? Sein oder Nichtsein?, Schwachheit, dein Nam‘ ist Weib! Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumt, Horatio.

Oder doch einfach:


Hamlet (ungehalten, anschließend ab): Welcher verdammte Knoten eigentlich?

Mittwoch, 20. April 2011

Sentimentalitäten.

Mittwochnachmittag, aufgrund der Osterwoche aber schon Donnerstag. Frühling in seinem schönsten Kleid. Seit Tagen oder Wochen ein Gefühl genereller Unzulänglichkeit – übrigens ein schönes Wort, und auch so treffend! Irgendwie ist zudem spanische Woche. Mehr Kontakt mit alten Freunden aus dem Süden. Heute Abend Finale der Copa del Rey, was – warum auch immer – im 2. deutschen Fernsehen gezeigt wird. Ich bin sehr froh über diesen Umstand, denn so muss ich nicht rausgehen und irgendwelche FC Barcelona Fans ertragen, denn es ist ja so einfach Barça (oder wie wir sagen: "Farsa") zu mögen. Zudem bin ich Anfang dieser Woche auf eine ganz großartige Seite gelangt, die zu besuchen aber nur Sinn macht, wenn man Spanisch spricht und am besten auch noch länger in Spanien gelebt hat. Ich für meinen Teil komme jedenfalls seit Montag aus dem Lachen über El Mundo Today (http://www.elmundotoday.com/) nicht mehr raus. Fantastisch!

Und jetzt gerade stoße ich auf ein ganz kurzes Gedicht, welches mich veranlasste, die Bürotür für einen Moment zu schließen und tief durchzuatmen, weil mir zum Weinen ist. Ich fand es auf der Facebookseite eines spanischen Freundes, mit dem und dessen Freundin ich in Madrid viel zu tun hatte. Jedenfalls war das eines dieser Paare, bei dem man dachte, die würden sich niemals trennen. Alle, aber nicht die zwei! Im letzten November war es aus, und vielleicht geht es in dem Gedicht gar nicht um die Trennung, aber im Kopfkino wird derzeit sowieso an 7 Tagen die Woche im Dreischichtbetrieb gearbeitet, so dass ich schrecklich traurig wurde bei:

Cuando ya creía que me quería me preguntó:
- ¿Qué será la muerte?
- La muerte, es mirar y no verte.

Als ich schon dachte, dass sie mich liebte, fragte sie mich:
- Was wohl der Tod ist?
- Der Tod ist zu schauen, und dich nicht zu sehen.

Freitag, 15. April 2011

Delivery.

Wenn man immer mit Musik auf den Ohren durch die Gegend läuft, versaut man sich seine ganze Berlin-Experience. Heute Morgen ließ ich die Musik zu Hause liegen, also war ich in der Mittagspause ohne Wunschbeschallung Besorgungen machen und mit Blick auf die Spree eine Zigarette rauchen, nur um festzustellen, dass einem eine Menge entgeht, wenn man nicht (zu)hört. Scheinbar Verwirrte brabbeln vor sich hin, Jungs reden über Mädchen, Mädchen reden über Jungs, Erwachsene unterhalten sich übers Büro (und niemanden interessiert es), Mütter zerren ihre Kinder schimpfend hinter sich her, hier wird gehupt, dort flucht ein Radfahrer, nachdem ihn ein Rechtsabbieger fast umgefahren hat und so weiter… Tatsächlich macht mir vieles aber auch Angst, was ich so höre – gut, das mag dran liegen, dass ich einerseits tagsüber in Moabit bin und andererseits als eher ängstlich gelten kann. Gestern auf dem Weg ins DT las ich an einer Mauer "2011 gehört den Mutigen" – Mist, wieder ein Jahr, das nicht mir gehört! Welches Jahr gehört denn endlich mal den Melancholischen? Vielleicht brauchen wir aber auch gar kein ganz Jahr, manchmal reicht auch schon ein Abend. Wegzehrung oder so. Am Montag sahen wir Peter Doherty im Postbahnhof. Es war großartig. Und wenn die neue Woche anfängt, nehme ich die Musik wieder mit und vielleicht singe ich sogar leise vor mich hin "Happy endings, they still don´t bore me…"

Freitag, 8. April 2011

Push barman to open old wounds.

Fast schon Mitte April! Gestern schoss mir, ob der sich plötzlich überall entfaltenden Blütenpracht, das Wort "obszön" durch den Kopf. Vor wenigen Augenblicken sah man sich um und alles war grau und karg und auf einmal ist da alles bunt. Overload! Mich erschlägt das fast, aber vielleicht liegt es auch daran, dass draußen jetzt schneller schön geworden ist als drinnen und ich emotional noch nicht aus dem Winterschlaf zurück bin. Ich gehe jetzt mittags manchmal im Tiergarten spazieren und schaue mir diese selten hässlichen Hyänen im Zoo an. Ich finde die irgendwie gut und es passt auch ganz wunderbar zum Zelebrieren der eigenen Seltsamkeit, wenn man, die Arme hinterm Rücken verschränkt, vor dem Hyänenkäfig stehenbleibt und sich fragt, was einem die Katze da schon wieder vor die Tür gelegt hat.

Am Mittwoch war es mal was Gutes, nämlich das Belle and Sebastian Konzert. Brave Miez! Vor fast genau 10 Jahren hatten wir die Band das erste Mal gesehen. Seinerzeit entschieden wir uns, eine Prüfung zu schieben und stattdessen nach London zu fliegen und B&S in der Royal Albert Hall zu sehen. Wenn ich mich an diesen Ausflug erinnere, ist das immer so, als schaue ich zu lang belichtete, alte Fotos mit einem eingebauten Glücks-Stich an. Das war die Zeit, als man noch alles hätte werden können. Sehr unpraktisch übrigens, wenn man gar nicht weiß, was man eigentlich werden will, so kommt man nie irgendwohin und wird unter Umständen…nichts. Wenn das der Fall ist, sollte man sich schnell ablenken und so wurden am Mittwoch einige meiner allerliebsten Lieder gespielt und dabei sogar das, mit den vielleicht allerschönsten Textzeilen, die es überhaupt gibt auf der ganzen Welt. Achtung!

"We know you are soft because we've all seen you dancing We know you are hard because we all saw you drinking From noon until noon again."

Ist das schön? Ja! Und nun: Wochenende! Wo ist der Ausschaltknopf fürs Kopfkino?

Dienstag, 29. März 2011

Winterschäden II

Manchmal macht das Schicksal Überstunden. Manchmal hat man das Gefühl, dass etwas Besonderes und Großes in der Luft liegt, dass sich etwas Entscheidendes anbahnt, dass die nächsten Stunden das eigene Leben in eine neue und überraschende Richtung lenken werden. In eine bessere Richtung! Man könnte nicht sagen, dass man wirklich weiß, dass etwas passieren wird und schon gar nicht, was genau, aber man spürt, dass da irgendetwas ist, wahrscheinlich in etwa so, wie Hunde spüren, wenn sich ein Erdbeben anbahnt. Nur andersrum. Manchmal liegt man damit aber auch komplett daneben, denn manchmal passiert entgegen anderslautendem Vorgefühl rein gar nichts. Null. Nada. So viel zu unseren Instinkten.

Heute Morgen sitze ich in der Bahn plötzlich zwischen einer Gruppe Jugendlicher, die alle nach Katzenpisse stinkende Energiegetränke zu sich nehmen. Es hebt mich kurz. Das hübscheste Mädchen monologisiert zu irgendeinem Unsinn über einen Abend, an dem sie selbiges Getränk zu sich nahm und noch irgendetwas anderes passierte, der Rest der Bande hängt an ihren Lippen. Es hebt mich noch einmal. Ich stelle die Musik auf meinen Ohren lauter, auf meinem Schoß liegt Infinite Jest und ab jetzt muss ich jeden Satz dreimal lesen, weil die Jugendlichen immer lauter werden. Ich kann mich nicht richtig konzentrieren. Es ist erstaunlich; David Foster Wallace wurde in verschiedensten Rezensionen als der witzigste Autor seiner Generation bezeichnet, als ein sprachliches Genie, als der James Joyce unserer Zeit, als einer, den eine große Zukunft erwartet und der zu allem fähig sei. Und dann erhängt er sich. Natürlich nicht "einfach so", laut seinem Vater litt er seit über 20 Jahren an schwersten Depressionen, aber trotzdem. Mutet es nicht absurd an, dass einer, der so viel komplexen Spaß zu Papier bringen kann, innerlich komplett zerbrochen ist? Zur Veröffentlichung von Infinite Jest auf Deutsch im vergangenen Jahr (das Original ist von 1996) erschien ein Artikel im SPIEGEL und ich erinnere mich daran, dass mich diese ganze tragische Entwicklung im Leben des Autoren zum Weinen brachte.

Ich habe in letzter Zeit das Gefühl, dass ich mich nicht nur vom Exzess langsamer und schlechter erhole, als früher, sondern auch von persönlichen Rückschlägen und emotionalen Pfützen. Wahrscheinlich ist das normal und auch die Seele zeigt langsam Abnutzungserscheinungen. Im Grunde ist das natürlich nur gerecht, denn warum sollten im Alter nur die Sehkraft nachlassen und die Knochen schwächeln, die Seele aber intakt bleiben, besonders, wo man ihr doch eine ganze Menge Müll zumutet. Was ich sagen will? Wir müssen auf uns aufpassen. Gegenseitig eh, aber auch jeder für sich selbst.

Mittwoch, 23. März 2011

Ratlosigkeit

Demnächst werden sich Spiegel- und ZEIT-Online wahrscheinlich zur Seite meiner Bank auf die Sperrliste gesellen. Kaum ist man mal 1 Stunde weg, geht in Jerusalem eine Bombe hoch und Liz Taylor stirbt, nebenher kann Reaktor 3 aufgrund erhöhter Strahlungswerte nicht mehr gekühlt werden und kein Mensch scheint zu wissen, was in Libyen vor sich geht. Wenn ich frage "Kommt es mir nur so vor, oder wird es denn tatsächlich immer schlimmer?" so handelt es sich dabei um eine rhetorische Frage. Zum Glück kam immerhin heraus, dass Knut der Eisbär an einer Krankheit starb und nicht der Zoodirektor oder sonstwer dafür Rechnung zu tragen hat. Wobei es vielleicht für die Verarbeitung und Einordnung einfacher wäre, wenn man direkt jemanden benennen könnte, der Schuld an all diesen Dingen hat. Ich muss gestehen, dass mir langsam die Betroffenheit ausgeht, und natürlich ist es ein Zeichen totaler Oberflächlichkeit, dass ich hier den Nahost-Konflikt, den Tod eines Film- und eines Zoostars, Libyen und Japan in einem Absatz nenne. Das ist mein ganz persönlicher Biedermeier, mit scheinbar übergroßen Konflikten dieses Moments konfrontiert, widme ich mich Themen, die ich wenigstens halbwegs verstehen kann. Vielleicht wende ich mich auch direkt ganz ab und flüchte mich ins Opium fürs Volk: Fußball, Popkultur und Liebe. Nicht dass es da optimal laufen würde, aber immerhin habe ich in diesen 3 konkreten Fällen das Gefühl, dass mehr Information mich nicht noch mutloser, verzweifelter und lebensverneinender macht.

Es gibt heute kein Fazit, nicht mal einen Ansatz. Nur Ratlosigkeit.

Freitag, 18. März 2011

Kalenderwoche 11

Im Rahmen der Veranekdotisierung meines Lebens kam ich neulich auf den Gedanken, in jedem Eintrag als zweiten Satz zu schreiben "…und wir waren schon betrunken, als wir hinkamen." Leider musste ich beim stichprobenartigen Lesen meiner bisherigen Ergüsse feststellen, dass dieser Satz nur in einigen wenigen Fällen tatsächlich einen Sinn ergeben würde. Nun, vielleicht muss ich auch sagen "zum Glück", wobei dann hier unter Umständen weniger Jämmerlichkeit und mehr Anekdoten zu finden wären? Ist das wünschenswert? Wie dem auch sei, heute passt es jedenfalls mal:

Gestern regnete es den ganzen Tag und als wir nach The Go! Team aus dem Lido kamen, überquerten wir über Pfützen hüpfend die Schlesische Straße, um noch einen schnellen Gin Tonic im Cake zu nehmen. Im Grunde war das gar nicht nötig, denn (Achtung!) … wir waren schon ziemlich betrunken, als wir hinkamen. Aber was muss das muss, vor allen Dingen an den Donnerstagen kurz vor dem Weltuntergang. Apropos Weltuntergang: Schon vor den tragischen Geschehnissen der vergangenen Woche habe ich behauptet, dass demnächst die Welt untergeht – ich rechne mit etwa 12 Jahren, die uns bleiben, unter welchen Umständen auch immer. Das ist übrigens meine Erklärung dafür, dass ich nicht in private Altersvorsorge investiere – ich werde dieses Alter nicht erleben, denn vorher geht die Welt unter oder das System als solches bricht zusammen, wobei Letzteres je nach Sichtweise vielleicht ganz wünschenswert wäre, oder anders gesagt: Seitdem ich arbeite, frage ich mich jeden Morgen, warum es keine Revolution gibt. Falls die Welt wider Erwarten nicht untergeht, werde ich in etwa 30 – 40 Jahren ganz schön alt aussehen, es sei denn, vorher geht Plan B auf und ich heirate reich, wonach es derzeit aber eher nicht aussieht. Was bleibt uns? Nun, definitiv die Freundlichkeit fremder Menschen! Als ich gegen Mitternacht meinen Kopf kurz auf die Bar lege und entschließe, keinen weiteren Gin Tonic zu trinken, stellt die mehr als sympathische Barfrau ein großes Glas Leitungswasser lächelnd vor mir ab und sagt, das sei genau das, was ich jetzt brauche. Da war es wieder! Das Glück im Kleinen!

Freitag, 11. März 2011

Des Pudels Kern?

Man sollte viel öfter ausgehen. Ich habe das Gefühl, etwas Großem auf der Spur zu sein. Wir befinden uns eher zufällig im Monarch und schauen zum Fenster raus auf die Skalitzer Straße, etwa alle 5 Minuten fährt die sogenannte U-Bahn in etwa auf Augenhöhe vorbei. Etwa jede Dreiviertelstunde holt man sich einen neuen Gin Tonic, der mit 4,50 zu einem gefühlt ganz fairen Preis ausgegeben wird. Wir sind auf einem Konzert von Sea of Bees gelandet, das sich als eines der bisher schönsten und bewegendsten in diesem Jahr herausstellen wird. Erst neulich merkte ich an, dass ich Großstadtprobleme Provinzproblemen vorziehe, was wohl hauptsächlich damit zusammenhängt, dass man sich hier vortrefflichst ablenken kann. Während die Musik spielt, schaue ich raus auf die Straße: Autos, große und kleine, Taxis, leere und besetzte, Fußgänger, alleine, zu zweit, in Gruppen, die U-Bahn, mittelvoll, ein Mann führt seinen Hund aus, und ich denke, dass vielleicht nicht alle da draußen, aber doch viele, zumindest mehr, als man denkt, ein gebrochenes oder angebrochenes Herz mit sich rumschleppen. Vielleicht sind manche Herzen auch aus Holz, die sind dann gesplittert, oder sie sind aus Eisen, dann sind sie verrostet, und wahrscheinlich handelt es sich meist weniger um einen akuten, als vielmehr um einen chronischen Zustand. Es ist nicht wirklich ein Trost, aber irgendwie auch gut zu wissen, dass man nicht allein ist. Was ich sagen will? Was ich sagen will, fasst Julie Baenziger ganz gut zusammen: "I don´t write happy songs, because I´m not a happy person.". Das ist natürlich auch nur die halbe Wahrheit, aber momentan passt es ganz gut, und wo ich gerade dabei bin, mich von Ewigkeiten zu verabschieden, entscheide ich mich für Halbwahrheiten vor Nichtwahrheiten, für Großstadtprobleme vor Provinzproblemen, für Herzen aus Holz vor Herzen aus Eisen.

Donnerstag, 10. März 2011

If you don't like what's being said, change the conversation.

Ich finde, ich habe einen sehr großen, sehr schweren Kopf. Das war erst kürzlich wieder Anlass für Gelächter, als ich laut darüber nachdachte, statt Mützen lieber direkt Kissenbezüge zu tragen. Unter Umständen werde ich dieses Bild nun nie mehr los. Tatsächlich glaube ich, dass der Kopf aus reiner Notwendigkeit so groß ist. Nicht etwa, weil ich so schlau bin und so viel dort drin Platz finden muss – wobei, ein bisschen schon auch! – sondern vielmehr, weil die Gedanken immer von einer Ecke in die andere wollen und ich so schlecht f o k u s s i e r e n kann. Es handelt sich also unterm Strich mal wieder um ein Disziplinthema. Das wird in seiner Hartnäckigkeit langsam etwas lästig und schon befürchte ich, dass es sich um eines dieser Dinge handelt, die man sich "im Alter" zwangsläufig auflädt und vielleicht nie wieder los wird – etwa so wie Kurzsichtigkeit, Knieprobleme und nachlassende Anpassungsfähigkeit. Vielleicht kann ich mich aber auch nur so schlecht konzentrieren, weil ich immer denke, ich müsse dem Verhalten der Anderen quasi vorgreifen und antworten, ehe ich gefragt worden bin, am besten das, was der Gegenüber hören will? Das ist jedoch absurd und fast schon Roulette. Natürlich gibt es genug Menschen, die man ziemlich schnell durchschaut und bei denen es kein Problem ist, die Themen zu steuern oder direkt wegzuhören, aber die sind uninteressant und können in dieser Betrachtung vernachlässigt werden. Andere sind direkt gleich völlig egal und fallen natürlich auch raus. Wichtig ist der Rest und da dachte ich heute Nachmittag zwischen dem Abwägen der widersprüchlichen Standpunkte in Tolstois Kreutzersonate (ich muss ab und an meine Intellektualität herausstreichen, sonst bleibt das höchstens noch unbemerkt) und der Verzückung bei der Betrachtung des Spreefederviehs (ersetzen Sie "Intellektualität" durch "Naturverbundenheit", et voilà) darüber nach, dass einem eigentlich nur eins bleibt: Den eigenen Text gut draufzuhaben und sich weniger am Gegenüber als an sich selbst zu orientieren. Zugegeben, das ist leichter gesagt, als getan, aber alles andere hat uns ja auch nirgends… ach was sag ich, es hat uns überhaupt erst hier hin hingeführt (was noch viel schlimmer ist!). Jetzt muss ich nur noch das Drehbuch finden, meinen Text lernen, das Unterbewusstsein ausschalten, alte Muster ablegen, einen Plan machen und dann…. werdet Ihr aber staunen!

Dienstag, 8. März 2011

This love will last forever.

Gestern hatte ich mein 2jähriges Berlinjubiläum. In den privaten Stasiunterlagen ist alles 1A dokumentiert. Ich war dennoch ganz erstaunt, denn manchmal habe ich das Gefühl, schon viel länger, also eigentlich sogar schon immer hier zu sein, und dann wieder würde ich zu Fuß nicht aus der Westzone nach Hause finden – ganz abgesehen davon, dass das völlig absurd wäre. Die letzte Woche war schwierig, ich hatte ständig Bauchweh. Gestern sagte man mir dann aber endlich, dass ich durchaus das Recht habe, traurig zu sein. Das war eine große Erleichterung, erstaunlicherweise geht es mir seitdem viel besser. Die Sorge um den Mondstein in Vampire Diaries und exquisites Abendessen in formidabler Gesellschaft halfen, um mal wieder etwas klarer zu sehen und als ich heute Morgen um 5:31 verwirrt aufwachte, befand ich, dass ich bescheuert bin. Grundsätzlich liegt das aber nicht nur an mir und der Werkseinstellung, sondern an so dämlichen Filmen wie "He´s just not that into you" von dem ich post-Vampire die letzten 40 Minuten sah. Gut, kann sein, dass es grundsätzlich 3-4 Aussagen gibt, die hinkommen, aber wäre ich freigekommen (ich hatte mich in der Decke verheddert), hätte ich ob des schmalzigen Endes wahrscheinlich brechen müssen. Wirklich! Man sollte nie, also wirklich NIE die Hoffnung auf sein ganz persönliches Happy End aufgeben – komme was wolle! Hallo?! Ich glaube, es hackt! Für Wunder können wir gern auf Knien nach Lourdes rutschen, tatsächlich ist es doch aber so: Happy End = Ende = der Tod (buh!) = nicht so lustig und auf dem Weg dorthin wird man zwangsläufig auf die Nase fallen. Nichtsdestotrotz (und Achtung, hier werde ich nun den Bogen zu 2 Jahren in der Kapitalen spannen) lieber Großstadt- als Provinzprobleme! So einfach ist das, danke Berlin!

Donnerstag, 3. März 2011

My private life is an inside joke - no one will explain it to me.

Dieses komische Leben… wahrlich ein Drahtseilakt. Bewegt man sich zu schnell, wird man unaufmerksam und fällt runter, bewegt man sich zu langsam, wird man unsicher und fällt auch runter. Damit habe ich das Rad jetzt auch nicht neu erfunden, denn wie man´s macht, macht man´s eben falsch. Gegen den aufkommenden Kater schnell ein oder zwei oder acht Konterbiere zu trinken, wird einen zwangsläufig in den Alkoholismus führen. Das ist so, da gibt es nichts dran zu rütteln – aufhören ist aber auch keine Option. Noch nicht. Sobald ich weiß, worauf ich hinaus will, sage ich Bescheid.

Ach ja, was ich sagen wollte: Geschichte wiederholt sich. Warum eigentlich? Im Großen, weil der Mensch als solcher dumm ist, vergisst und immer wieder die gleichen Fehler macht. Und im Kleinen sind es genau die gleichen Gründe. Ist das nicht erstaunlich, sollte uns DAS nicht zu denken geben. Ich werde langsam zu einem volkswirtschaftlichen Risiko für meinen Arbeitgeber, vielleicht frage ich mal an, ob man hier gegen die Fehler und Unaufmerksamkeiten verwirrter Mitarbeiter versichert ist. Gerechtigkeit ist übrigens lediglich das Recht der Moral und kann deswegen vernachlässigt werden. Ich verstehe das selbst nicht so richtig, finde es aber irgendwie lustig. Peggy Olson sagt: "One day you're there and there's less of you and you wonder where that part went. If it's living somewhere outside of you and you keep thinking maybe you'll get it back and then you realize it's just gone." und ich habe ein wenig Angst. Schnell... ein Konterbier!

Samstag, 26. Februar 2011

We Love Life II

Mein Atem geht schwer aber gleichmäßig und ich puste weiße Wölkchen in die Luft. Die stellenweise zugefrorene Spree glitzert links von mir in der Sonne, die Wolkenmachmaschine auf der anderen Seite des Flusses gibt ihr Bestes, schafft es aber nicht, ihre Kinder am strahlendblauen Himmel zu platzieren. Gut so! Auf dem 2. Stück meiner Laufstrecke führt es mich eine Weile durch den Wald, wo man die Geräusche der Stadt nicht mehr vernehmen kann. Ich suche den Waldboden nach den ersten Boten des Frühlings ab, und siehe da, trotz der Kälte sprießt es hier und da schon zartgrün unter dem alten Laub. Ich freue mich und das Strahlen wird noch intensiviert, als ich an einem meiner liebsten Plätze in Berlin vorbeikomme. Zwischen der Insel der Jugend und der Stralauer Halbinsel hat man für einen Moment lang einen spektakulären Blick auf den Fernsehturm in der Ferne. Seufzen. Ich laufe weiter und irgendwo auf einer Wiese, am letzten Teilstück der Strecke, auf dem ich immer nochmal sowas wie Gas gebe, haben sich ein paar Druffis mit einer Anlage eingefunden und hören laut elektronische Musik. Einige tanzen, andere liegen wie Eidechsen in der Sonne, ich verschlucke mich kurz und muss fast anhalten, weil ich lachen muss. "Berlin Klischees" denke ich mir, man kann vielleicht nicht alles haben, aber manchmal dann doch fast.

Freitag, 18. Februar 2011

What became of you and I?

Im Fahrstuhl betrachte ich mein Gesicht im Spiegel und stelle fest, dass ich mich gestern Nacht wohl nur unzureichend abgeschminkt habe, denn irgendwie ist die Wimperntusche unter den Augen verschmiert. Beim Versuch, sie zu entfernen, muss ich jedoch herausfinden, dass es sich nicht um Wimperntusche sondern um Augenringe handelt. Februar ist seines Zeichens einer meiner liebsten Monate. Das liegt daran, dass er so kurz ist und dass es sich um die Zeit handelt, in der man bemerken kann, wie es abends Stück für Stück immer ein wenig länger hell ist. Außerdem weiß man, dass man nun nur noch ein paar Wochen lang die Zähne zusammenbeißen muss, bis es endlich, ENDLICH Frühling wird.

Ich habe eine Weile hin und her überlegt, worüber ich diese Woche schreiben könnte, und verschiedene Themen bieten sich an, die aber unvereinbar sind und übergeordnet war dann leider eine tragische Nachricht aus Spanien, die mich Anfang der Woche ereilte. Einschläge kommen näher und man steht Ihnen hilflos gegenüber, was bleibt ist eine von Herzen kommende Mail, vielleicht ein Telefonat, aber was soll man schon sagen, außer dass man da und dass ohne Gesundheit alles Asche ist? Parallel dazu macht man natürlich weiter mit diesem Leben voller Absurditäten, das manchmal droht zu einer Anekdote seiner selbst zu verkommen. Ist das so schlimm? Wahrscheinlich nicht. Man lacht solange man kann, denn was soll man auch tun, weinen? Uns ist klar, dass es dafür sicher früh genug einen Anlass geben wird. Schon gestern Morgen in der Bahn verdrücke ich ein Tränchen bei der Schilderung des Sterbens Karenins in "Die Unerträgliche Leichtigkeit des Seins" und abends bei Band of Horses wird mir auch ganz flau bei "No one´s gonna love you" (more than I do). Am Ende des Hohelied der Liebe (1. Korinther, Kapitel 13) steht: "Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen." und ich finde es beruhigend zu wissen, dass diese Liebe keine romantische sein muss.

Dienstag, 8. Februar 2011

Im Westen nichts Neues.

Momentan scheinen Selbstmörder Hochkonjunktur zu haben – und ich meine das nicht zynisch, mitnichten! Ich sage das eher mit einer gewissen Besorgnis in der Stimme (ach, wenn Sie mich doch nur hören könnten!), was ist denn nur da draußen los? In den letzen 7 Tagen geriet ich auf dem Weg zur Arbeit oder von der Arbeit nach Hause dreimal in die Situation, dass der Ringbahnverkehr aufgrund von Notarzt- und Polizeieinsätzen auf meinem kleinen Teilstück in meinem kleinen Zeitfenster unterbrochen war. Es handelte sich um Einsätze an den Stationen Wedding, Westhafen und Westend. Vielleicht sollte man auf die Stationen mit W. in Zukunft ein besonderes Auge haben? Pedro Almodóvar antwortete einmal auf eine Frage zu seinen Figuren und seinem Filmschaffen, an die ich mich jedoch nicht genau erinnern kann, dass es zwei Typen Mensch gäbe: Wenn eine U-Bahn (in Madrid gibt es keine S-Bahn im Berliner Sinne) im Tunnel gestoppt wird, weil sich jemand davorgeworfen hat, und die Fahrgäste aussteigen müssen, um zur nächsten Station zu laufen, dann sind da einerseits die, die sich das Desaster, wenn auch angewidert, erschrocken und besorgt, aber dennoch neugierig ansähen und die, die konsequent wegschauten, um nur ja nicht von den Bildern, wenn auch nur kurz erblickt, aber vielleicht gerade deswegen ins Gedächtnis eingebrannt, verfolgt zu werden. Was mich selbst betrifft, kann ich das nur schwer sagen, da ich immer gestoppt werde, ehe ich zur Unfallstelle gelange, ich habe aber eine Vermutung. Gestern fuhr ich dann fast eine ganze Runde Ringbahn, um überhaupt nach Hause zu gelangen, kam so aber durch Stadtviertel, die man auch fast schon als "verunfallt" bezeichnen könnte. Statt nach draußen zu schauen, vertiefte ich mich jedoch in "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" – endlich mal Zeit, in Ruhe zu lesen! Man kann sich jetzt fragen, wie ich an der Stelle die Kurve kriegen will. Zurecht. Nun, ganz einfach: Ich widme mich lieber einem Buch (das ich übrigens von 11 Jahren schon einmal gelesen habe, und seinerzeit nicht annähernd so gut fand, wie jetzt), als auf die fremden, hässlichen Stadtviertel zu blicken – demnach würde ich wohl eher wegschauen, ist doch klar. Manchmal finde ich dieses Ausblenden alles Unangenehmen geradezu zum Kotzen, manchmal bin ich aber auch ganz froh darüber. Fazit: Sollte man nicht lieber verdrängen, vielleicht etwas Schönes lesen, mit Menschen sprechen, Musikhören, was Gutes essen, tanzen gehen oder Skifahren, als sich vor Züge zu werfen? Oder ist das zu simpel gedacht?

Montag, 31. Januar 2011

Home is where the heart / hurt is.

"Nächste Station: Prenzlauer Allee". Ich schrecke hoch, bin wach! Automatisch geht der Griff an meine Tasche. Sie ist noch da. Automatisch geht der nächste Griff in meine Tasche: Telefon, Portemonnaie, Zigaretten, Schlüssel. Alles da. Aufatmen. Wahrscheinlich war ich gar nicht eingeschlafen und es handelt sich sowieso um eine S8, so dass ich im schlimmsten Fall lediglich in Birkenwerder gelandet wäre. Nun, vielleicht ein andermal, jetzt ist es für derlei Ausflüge zu spät und zu kalt. "Nächste Station: Prenzlauer Allee" also. Verwurzelt in der Trunkenheit einer Samstagnacht im Januar, werde ich ein wenig sentimental und weich, in etwa wie geschmolzenes Karamell. Um die Wahrheit zu sagen, werde ich wahrscheinlich sogar sehr sentimental und muss fast vor Rührung weinen, als ich denke, dass ich nun gleich zu Hause sein werde. Zu Hause. Hach! Während ich dorthin eiere und mein gefrorener Atem klirrend auf den Asphalt fällt, denke ich ein wenig über diesen seltsamen Heimatbegriff nach. Die Gedanken lösen einander fließend ab, ich kann keinen wirklich festhalten und denke zum wiederholten Male, dass ich mir für solche Augenblicke ein Diktiergerät zulegen sollte, weil ich betrunken nicht in der Lage bin zu schreiben und mich mein Gedächtnis für gewöhnlich in derartigen Momenten im Stich lässt. Wir haben erst neulich über dieses Heimatding nachgedacht, und waren uns unterm Strich nicht klar darüber, ob das Problem der Einengung schwere wiegt, als die relative Geborgenheit, die man bekommt. Als ich meine Wohnungstür hinter mir zuschließe, mir die Schuhe von den Füßen streife, alle Lichter, Musik und den Laptop anmache, meine Kleidung über die ganze Wohnung verteile, verschiedene Nahrungsmittel ausprobiere, zähneputzend durch alle Zimmer gehe, mich setze, wieder aufstehe und mich schließlich hinlege, denke ich: Alles Quatsch, home is where the heart is! Oder war´s "hurt"? Egal! Angekommen!

Donnerstag, 27. Januar 2011

Don´t look back into the sun.

Man vergisst im Augenblick der Aufruhr, dass man schließlich doch vergessen wird. Dass manche Erlebnisse wie eine Grippe an einem vorbeigehen, dass man nur stillhalten, ein paar Regeln beachten und ein bisschen auf sich aufpassen muss. Ruhe bewahren. Dass es grad ein wenig unangenehm ist, vielleicht auch weh tut, natürlich, aber nicht für lang. Und dann ist es rum und im Rückblick verschwimmen all die kleinen Grippen miteinander, im Rückblick kann man sie zeitlich gar nicht mehr richtig zuordnen, im Rückblick werden sie unbedeutend. Und dann gibt es chronische Bronchitis. Chronische Bronchitis, die bei Seeluft und guten Witterungsbedingungen besser, aber doch nie richtig weg ist. Chronische Bronchitis, die einen immer irgendwie beeinträchtigt, die man manchmal vielleicht kurz vergisst, aber kaum dass man sich fragt, wie das noch gleich war, hat man unbedacht den Schal vergessen und – zack! – schon ist sie zurück und wirft einen zu Boden.

Eigentlich schlimm, dass man "die Liebe" (na klar geht´s hier um die Liebe, worum denn sonst bitteschön?!) in Metaphern mit Krankheiten gleichsetzt. Man möchte meinen, dass "es" dann ja auch wirklich nichts werden kann. Wann sind wir eigentlich so zynisch geworden? Und warum tun wir viel härter als wir sind? Weil wir nicht anders können, und im Grunde kann man sich glücklich schätzen, wenn das das größte Problem ist, das man hat. Guten Donnerstagnachmittag, Berlin!

Donnerstag, 20. Januar 2011

Treat your body like a temple - reloaded.

Ich hatte es noch gar nicht explizit erwähnt, aber – wie im vergangenen Jahr – widme ich den Januar dem Detox, will heißen, ich trinke nicht, was auch dazu führt, dass ich bedeutend weniger rauche, mehr und vor allem besser schlafe, mich sportlich betätige, jede Menge interessanter Säfte trinke und einer kulturell anspruchsvolleren Freizeitgestaltung nachgehe. Wer mich regelmäßig liest und / oder das große Glück hat mich persönlich zu kennen (*hüstel*), ahnt vielleicht, dass ich unter Umständen manchmal ein winziges bisschen marginal zu einem latenten Extremismus neigen kann und es ist eventuell sogar möglich, dass dieser Fall auch nun wieder eingetreten ist. Hauruckaktionen und Schnellschüsse, herzlich willkommen! Vielleicht werde ich aber auch wirklich langsam alt, und genieße die relative Ausgeglichenheit deswegen so sehr? Man weiß es nicht. In einem solchen Fall empfiehlt sich der Blick in die Aufzeichnungen (manchmal auch gern liebevoll aufgrund ihrer umfassenden Genauigkeit "die Stasiunterlagen" genannt) und siehe da, im vergangenen Jahr war es haar genauso! Und ich ahne natürlich, wie es ausgehen wird, aber halt! Unterscheidet es uns nicht von den Tieren, dass wir aus unseren Verfehlungen und Verirrungen lernen? An anderer Stelle kamen wir neulich drauf, weshalb uns unser eigenes Verhalten im Rückblick manchmal so absurd erscheint: Wir vergessen vielleicht oftmals nicht die Fakten, aber der Bezug zum dazugehörigen Gefühl kommt uns abhanden. Auf der Suche nach einem akzeptablen Mittelweg wurde mir erst gestern ein in meinen Augen sehr hilfreicher Tipp gegeben: Emotionaler Wahnsinn ist manchmal sicher akzeptabel und vielleicht sogar notwendig, wenn man aber bemerkt, dass es zu wirklich extremen Auswüchsen kommt, sollte man sich bemühen, einen Schritt zurückzutreten und überlegen, wie man die Situation mit einem Jahr Abstand betrachten würde, und wenn man dann sagen muss "Verdammt, wie konnte ich nur so dämlich sein!" sollte man vielleicht Alternativen in Betracht ziehen. Das ist natürlich nicht ganz einfach, aber ich versuche das jetzt mal – den gesunden Januar im Rücken sollte das ja alles kein Problem sein.

Mittwoch, 12. Januar 2011

There´s a light that never goes out.

Ich werde derzeit mit vor Staunen offenem Mund Zeugin eines kleinen Wunders. In meinem engsten Umfeld haben sich zwei Menschen scheinbar gefunden! Offensichtlich ergibt sich wirklich hin und wieder ein Zustand, in dem gegenseitige Zuneigung und Timing genau am richtigen Ort aufeinandertreffen, und ab und an wische ich mir jetzt verschämt ein Tränchen der Rührung aus den Augen, wenn ich die zwei zusammen sehe. Ich habe nun ausgerechnet, dass – wenn wir in diesem Tempo so weitermachen – der gesamte Freundeskreis gegen 2025 unter der Haube ist. Diese Zahl vor Augen will man dem berlinisierten Klientel zurufen, dass man damit anfangen solle, diese bescheuerte Bindungsangst abzulegen, bis einem das komische Glashaus wieder einfällt. Was bleibt uns also? "…wachen, lesen, lange Briefe schreiben… in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben"? Ja, auch das. Das Schöne ist, dass man nun getrost nachts in eine Decke gewickelt aus dem Fenster schauen und The National hören kann, ohne der winterlichen Verzweiflung gänzlich anheim zu fallen. Die Gehwege sind größtenteils auch wieder eisfrei und was die Herzen betrifft, bin ich besserer Hoffnung! Danke und Glückwunsch J&J!

Mittwoch, 5. Januar 2011

This is the new year.

Der Januar ist mit Abstand der schlimmste Monat des Jahres! Ich weiß gar nicht, was die Novemberhasser immer alle haben, kurzdrauf ist Weihnachten, da kann man bequem rauchen und bechern wie ein Stadtsoldat, auf der Arbeit bummeln, keinen Sport treiben, zu viel und ungesund essen, alle Fünfe grade sein lassen etc. pp, das macht man ja zu Jahresende hin eh alles, also kann man auch schon etwas früher anfangen und ein wenig üben. Aber Januar… brrrrrrr!!! Januar! Es ist dunkel und kalt, das Konto ist leer, die nächsten Feiertage sind endlos weit weg, das Berliner Konzertpanorama lässt zu wünschen übrig, die guten Vorsätze, an denen man spätestens Mitte des Monats emotional zerschellen wird, zeichnen sich schon in KW1 durch ihre praxisferne aus, man ist unzufrieden und hoffnungslos, schließlich erwartet man immer, im neuen Jahr würde irgendetwas anders und besser werden, doch dann hat man leider versäumt, selbst Änderungen einzuleiten und so bleibt einfach alles nur wie immer und es geht weiter wie bisher - nur ohne erlösendem Jahresende in Sichtweite. Ich habe in letzter Zeit (will heißen seit Montag) das Gefühl, jeder einzelne Tag sei die Eiger Nordwand, die ich mühevoll immer wieder aufs neue bezwingen muss. Stichwort Sisyphos. Stichwort Überdramatisierung des Alltags. Stichwort Fortbestand der Vollmeise. Frohes Neues!